: Gefährliche Blüten: Weiße Moneymaker
Ein niederländisches BioTech-Unternehmen läßt Chrysanthemen durch Gene weißer werden „weil VerbraucherInnen es wünschen“ ■ Von Ute Sprenger
Chrysanthemen sind nie richtig weiß. Immer mogelt sich ein kleiner rosa Schimmer in die Blütenblätter. Ans Otten, eine niederländische Pflanzenzüchterin, lag am Herzen, was sich VerbraucherInnen wünschen: reinweiße Chrysanthemen. Inzwischen ist sie bei dem niederländischen BioTech-Unternehmen Florigene für die Gen-Experimente mit farbveränderten Blumen zuständig. Grünes Licht für den reinweißen Versuch gab das Umweltministerium in Den Haag bereits im April und das Wirtschaftsministerium reichte eine stattliche Summe Gulden rüber. Mit einem Kredit von 1,3 Millionen, etwa 40 Prozent der Gesamtkosten dieses Projekts, will die niederländische Regierung die Entwicklung neuer Pflanzensorten anregen. Florigene soll damit die transgenen Chrysanthemen bis zur Marktreife entwickeln. Ein Novum auch in den Niederlanden.
Ein blaues Gen für rote Rosen
Noch in diesem Sommer, so Otten, sollen die ersten weißen Blumen aus der Gattung Chrysanthemum, denen die rosa Farbe gentechnisch mit Antisense-RNA blockiert wurde, „unter normalen Produktionsbedingungen“, also im Treibhaus, gepflanzt werden. Aufs offene Feld kommen sie in einer klimatisch milderen Region, in Oakland in den USA. Dort wird DNA Plant Technology, der Patenthalter und Partner von Florigene, ins Freiland gehen. Verläuft alles nach Plan, dürften wirklich weiße Chrysanthemen unter dem vielversprechenden Namen Moneymaker schon in anderthalb Jahren zu kaufen sein.
Der Handel mit Blumen ist ein gutes Geschäft, und die Niederlande sind der Hauptumschlagplatz. Aber die gentechnische Suche nach dem stabilen Weiß beschränkt sich keineswegs auf die Niederlande. Von transgenen Schnittblumen und Zierpflanzen versprechen sich weltweit Produzenten, Händler und nicht zuletzt GentechnikerInnen, Gewinne der Zukunft. „Die KundInnen in Europa wünschen sterile, genormte Zuchtprodukte, bei denen alle Blüten so gleich aussehen wie Barbie-Puppen, mit gleich langem Stiel und glänzenden Blättern“, schreibt die Hilfsorganisation medico international. Sie unterstützt seit einiger Zeit ein Projekt in Mexiko zum gesundheitlichen Schutz der Menschen und der Umwelt vor den Praktiken der „Blumenmultis“. Immer neue, ausgefallenere Bedürfnisse sollen mit neuen Züchtungen befriedigt werden. Da suchen Calgene und der japanische Nahrungsmittelgigant Suntory gemeinsam nach dem blauen Gen für rote Rosen. Da sollen, weil „bekanntlich eine große Nachfrage nach neuen Blütenfarben“ bestünde, am Kölner Max-Planck-Institut Petunien von weiß nach rosa changieren.
Eine neue Farbe ist die beste Werbung
Das Unternehmen Florigene hat sich nicht ohne Grund Anfang des Jahres mit seinen Laboren und Treibhäusern im niederländischen Rijnsburg bei Leiden einquartiert. Rijnsburg ist eines der großen Blumenanbaugebiete in den Niederlanden, und die Niederlande wiederum sind eines der wichtigsten Produktionsländer im internationalen Blumenhandel. 83Prozent der Schnittblumen, die 1989 im Wert von rund 1,5 Milliarden Mark in die Bundesrepublik importiert wurden, kamen über unseren Nachbarn.
Florigene arbeitet eng mit Pflanzenzüchtern und der Blumenindustrie zusammen, denen das Unternehmen biotechnologisches Know- How zur Verfügung stellt. Seine Spezialität ist die gentechnische Veränderung der Blütenfarben von Chrysanthemen, Nelken, Rosen, Gerbera und Lilien. „Florigenes zweites Ziel ist es, Resistenzen gegenüber Krankheiten und Insekten in bereits vorhandene oder neue Sorten einzufügen“, so die Eigenwerbung. Der Markt verlange, so die Analyse des BioTech-Unternehmens, nach immer neuen Blumen und Zierpflanzen, wobei die klassische Pflanzenzucht bereits in einer Reihe von Fällen an ihre Grenzen gelangt sei. Auch die Ansprüche der Konsumenten nach einem breiten Blumensortiment von hoher Qualität rund ums Jahr würden ständig steigende Anforderungen an die Züchter und ihre traditionellen Methoden stellen. Hier nun bietet Florigene als „Bindeglied zwischen Pflanzenzüchtung und Wissenschaft“, so die Selbstdarstellung, gentechnologische Methoden als „Werkzeuge“ an. Mit ihnen als Ergänzung zu den herkömmlichen Methoden, wie der radioaktiven Bestrahlung von Stecklingen, könnten neue Pflanzenkombinationen geschaffen werden. Neue Sorten, die den Erfordernissen der Produzenten und den Wünschen der Konsumenten entgegenkämen, neue Farben, Formen und Charakteristika und auch Resistenzen gegen Krankheiten und Insekten. „Eine perfekte Sorte“ sei mit Gentechnologie zu erreichen, verspricht Florigene. Perfekt was Kultivierung, Blütenansatz und -ertrag sowie die Stiellänge angeht. Aber „perfekte Sorten“ wie die gentechnisch aufgerüstete weiße Chrysantheme Moneymaker erfordern auch einen hohen technologischen In-put. Vollkommen problemlos scheint sich die Gentechnologie hier in die herkömmliche Produktion von makellosen, wunderschönen, aber gefährlichen, weil chemieverseuchten Blütenträumen einzureihen. Eine neue Farbe sei „die beste Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu überzeugen“, glaubt Pflanzenzüchterin Otten. Überzeugen wovon? Gentechnisch veränderte Blumen sind lebendige Organismen, die ein Eigenleben führen. Mit ihren blockierten oder eingefügten Genen pflanzen sie sich fort, breiten sich aus und können neue Eigenschaften entwickeln. Eigenschaften, die auf ihre Nachkommen, aber unter Umständen auch auf andere Organismen übertragen werden. Was dann passiert, ist vollkommen unklar. Bislang gibt es dazu in der Gentechnik mehr Fragen als Antworten.
(s. a. Gen-ethischer Informationsdienst 67/1991, S.20)
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