MBB: Bayern bleibt auf Waffen sitzen

Ausgerechnet der Freistaat, dessen Regierung die Fusion Daimler/MBB forciert hat, ist der große Verlierer bei der Neustrukturierung des Luft- und Raumfahrtgeschäfts der Daimler-Tochter Dasa  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Bayerns Finanzminister Georg von Waldenfels läßt keine Gelegenheit aus, das Loblied auf die im Freistaat angesiedelten High-Tech-Kapazitäten und damit die guten Zukunftsperspektiven der bayerischen Wirtschaft zu singen: „Bayern ist das Wachstumsland Nummer 1 in der Bundesrepublik.“ Besonders die Elefantenhochzeit von Daimler- Benz und der Rüstungs- und Luftfahrtschmiede Messerschmitt-Bölkow-Blohm sowie die Neustrukturierung der Deutschen Aerospace (Dasa) mit Sitz in München wurden von der bayerischen Staatsregierung als Erfolge gefeiert.

Doch ausgerechnet der Freistaat geht als Verlierer aus dem Standortgerangel, das die Neukonstruktion des Luft- und Raumfahrt-Multis Dasa begleitete, hervor. MBB-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Alois Schwarz spricht schon von einem „Ausverkauf der deutschen Luftfahrtindustrie“. Angesichts der neuen Dasa kann er nur dem Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau zustimmen, der nach der Elefantenhochzeit Daimler/MBB zufrieden festgestellt hatte, daß Hamburg „bei der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse die Flugzeugproduktion und Bayern die Rüstungsproduktion gewählt“ habe.

So wurde der MBB-Unternehmensbereich Transport- und Verkehrsflugzeuge (UT) in die neustrukturierte Dasa-Tochter Deutsche Airbus GmbH (DA) eingegliedert. Sitz der neuen DA ist nicht mehr München, sondern Hamburg; die Hauptproduktions- und Entwicklungsstätten liegen in Norddeutschland, in Hamburg, Stade, Varel, Einswarden, Lemwerder und Bremen. Die DA mit 19.000 Beschäftigten wird also nicht mehr von München, sondern von Hamburg aus geführt.

Für 60 Millionen DM hat die DA zudem die beiden außerbayerischen MBB-Werke Laupheim und Speyer sowie das Dornier-Werk in München-Neuaubing gekauft. Derzeit ist die DA zwar noch eine MBB-Tochter, doch langfristig soll sie in die geplante europäische Airbus-Kapitalgesellschaft eingehen.

München bekam als Trostpflaster lediglich den Sitz der Dasa, die aus den Daimler-Töchtern Dornier, MBB, MTU und Telefunken Systemtechnik gebildetet wurde; doch die 250 Arbeitsplätze in der Holding- Gesellschaft in München entsprechen lediglich der Zahl der abgewanderten alten Deutschen Airbus.

Während Finanzminister Waldenfels jubelt, die Dasa habe die „Stellung Bayerns als deutsches und europäisches Zentrum der Luft- und Raumfahrtindustrie weiter gestärkt“, beklagt die SPD, daß sich der Freistaat bei der Daimer/MBB- Fusion schlicht über den Tisch habe ziehen lassen. So wurde aus dem MBB-Werk Donauwörth mit insgesamt 3.000 Beschäftigten die Waggonproduktion der ICE-Züge zur Daimler-Benz-Tochter AEG-Westinghouse in Berlin verlagert. Bayern habe damit ein „wichtiges Standbein in der zukunftsträchtigen Verkehrstechnik weniger“.

Der Entwicklungsbereich Hubschrauber in Ottobrunn mit 1.500 Arbeitsplätzen soll aus MBB ausgegliedert werden und zusammen mit dem MBB-Werk in Donauwörth in eine ab Januar 1992 mit der französischen Aerospatiale SA in Toulouse zu bildende Managementholding „Eurocopter SA“ eingebracht werden. MBB hält daran nur eine Minderheitsbeteiligung von 40 Prozent. In den Schubladen bei Daimler-Benz liegen zudem Pläne, die Mikroelektronik-Aktivitäten von MBB und Dornier der AEG mit Sitz in Frankfurt und Berlin zu unterstellen. „Wo bleibt da München als bayerisches Silicon Valley“, klagt der SPD— Landtagsabgeordnete Heinz Kaiser ein Zitat des bayrischen Wirtschaftsministers Anton Jaumann ein.

Angesichts dieser Pläne wirft der Parlamentarier dem bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibl in dessen Funktion als Aufsichtsratsvorsitzendem von MBB vor, daß mit Beteiligung und ohne Widerspruch der Staatsregierung „nicht nur die zivilen Produktionsstandorte, sondern auch der Entwicklungsbereich von MBB ausgehöhlt und systematisch abgewickelt“ werden würden. Der MBB-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Schwarz befürchtet, daß „alle interessanten nicht-militärischen Aktivitäten von MBB ausgegliedert werden, um die Firma zu einem reinen Rüstungsunternehmen umzugestalten und später zu verkaufen oder zu liquidieren.“ Angesichts sinkender Rüstungsaufträge und mangelnder Bereitschaft zur Rüstungskonversion stehen die Chancen für die verbleibenden MBB-Standorte im Süden in der Tat schlecht, während die ehemaligen Standorte im Norden mit der Flugzeugproduktion ausgelastet sind und Überstunden fahren. An dem zivilen Flieger Airbus wird Bonn, trotz hoher Subventionen, auch weiterhin festhalten.

Von den 2.400 Beschäftigten im MBB-Werk Augsburg hingegen ist die Hälfte mit der Ende 92 auslaufenden Tornado-Produktion beschäftigt, in Ottobrunn sind etwa 1.800 Mitarbeiter an der Entwicklung des fraglich gewordenen Jäger 90 beteiligt und das MBB-Werk Manching ist jetzt schon mit dem Tornado-Bau und Wartungsaufträgen für Militärflugzeuge unterbeschäftigt. Wenn das 50-Milliarden-Projekt Jäger90 nicht kommt, müßte in Manching und Augsburg wohl die Hälfte der Belegschaft gehen. In der Dasa-Bilanz für 1990 steht beim MBB-Konzern unterm Strich ein dickes Minus von 337 Millionen Mark.

In der bayerischen Staatsregierung hat man sich inzwischen anscheinend von den Dasa-Managern überzeugen lassen, den 17,8-Prozent-Anteil, den Bayern an dem ehemals größten deutschen Luft-, Raumfahrt- und Wehrtechnikunternehmen MBB noch hält, gegen einen gleichwertigen, prozentual kleineren Anteil an der Dasa einzutauschen. Nachdem MBB „in der Vergangenheit mit Billigung der Staatsregierung zerhackt worden“ sei, so wertet dies der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rolf Seebauer, lasse die Staatsregierung den Restkonzern jetzt „wie eine heiße Kartoffel“ fallen. Von Franz Josef Strauß bis Max Streibl habe es die CSU-Regierung „über Jahre hinaus versäumt“, ein Konzept für den Umbau der Rüstungsindustrie insbesondere bei MBB in Richtung ziviler Güter zu entwickeln. Und das rächt sich seit Ende des Kalten Krieges: Rüstung ist heute kein Wachstumsmarkt mehr.