Standbild: Unsentimentale Einblicke ins Absurde

■ "Der zerschossene Traum von Marracuene", Di., 22.40 Uhr, ZDF

Birgit Schrowange setzte ihr herzzerreißendes Betroffenheitsgesicht auf und erging sich in salomonischen Andeutungen, daß wir alle „den Golfkrieg sicherlich mit Sorge, aber vielleicht auch mit Nervenkitzel verfolgt“ hätten. Doch als man schon befürchten mußte, von einer neuerlichen „Programmänderung aus aktuellem Anlaß“ heimgesucht zu werden, schaffte sie doch noch die Kurve: „In Mocambique gebe es zwar keine Raketenangriffe und Panzerschlachten, aber dennoch werde dort Krieg geführt.“ (Was zwar seit November 90 so auch nicht mehr stimmt, aber sei's drum.) Wer sich nun von der Reportage Licinio Azevedos nach vertrautem Informationsmuster umfassende Aufklärung über die Hintergründe dieses Bürgerkrieges zwischen Regierungstruppen und den von Südafrika unterstützten Renamo-Rebellen erwartete, wurde freilich enttäuscht. Weder war im Film des mocambiquanischen Regisseurs von der innenpolitischen Situation des ostafrikanischen Landes die Rede, noch war von irgendwelchen Kampfhandlungen etwas zu sehen.

Und doch vermittelte diese Ergänzung der ZDF-Reihe mit fünf afrikanischen Filmen in gut 40 Minuten in mancher Hinsicht weit subtilere Einblicke in die absurde Realität des Krieges als all die unzähligen Stunden der Golfkriegs-Berichterstattung zusammen. (Sollte Frau Schrowange das mit ihrer rätselhaften Ansage etwa auch gemeint haben?) Obwohl Azevedo konsequent die Perspektive der Opfer einnahm, verzichtete er auf drastische Bilder von Toten und Verwundeten. Statt dessen zeichnete er in ruhigen Bildern und ohne fadenscheiniges Betroffenheitsgesäusel das Porträt der Bewohner einer Stadt, die zwischen die Fronten zweier kriegführender Parteien gerieten und sich aus Angst vor Überfällen Abend für Abend aus ihren eigenen Häusern in den Busch flüchteten. Wer da warum eigentlich gegen wen Krieg führte, wußten die Bewohner so wenig zu sagen wie die zu ihrem Schutz abgestellten Soldaten. „Ich glaube, sie wollen herausfinden, wer Chef ist“, sagte einer von ihnen. Kürzer und prägnanter läßt sich die rituelle Archaik des modernen Krieges kaum beschreiben.

Auffallend schließlich auch die formale Perfektion des Films. Da wurde kein Erzählstrang verschludert, da saß jeder Schnitt. Und manche Bilder (malerisch ins Wasser eintauchende Ruderblätter oder eine symbolträchtig über verlassene Gleise dahinwehende Plastiktüte) drohten beinahe schon in allzu glatter Schönheit zu ersterben. Eine Kritik, der aber vielleicht auch jener Kultur- Chauvinismus innewohnt, wonach Filme aus Ländern der Dritten Welt ihr (oder besser: unser) Authentizitäts-Credo gefälligst durch technischen Dilettantismus wie eine verwackelte Kamera und pittoreske Bilder des „Fremden“ zu belegen haben. Reinhard Lüke