■ Pop, artig — nicht Pop-Art: Ingo Niermann in der Galerie Likörfabrik

Daisy Duck rotiert. Noch kämpfen die patschigen weißen Schwingen mit der Fülle ihres Körpers, die dicken Füße in den schwarzen Riemchenschuhen aber heben sich bereits aus dem Startkreis am Boden. Weit kommt Daisy nicht. Zwei Metallschienen bremsen sie an ihrem oberen und unteren Ende. Sie bedeuten den Rahmen der Malerei, ähnlich dem einer neumodischen Brille, irgendwie randlos freischwingend, aber doch verstrebt.

»Pop, nicht Pop-Art« ist der Titel der Ausstellung, in der Ingo Niermann seine ersten Werke zeigt. Das Philosophie-Studium, das der Neu-Ostberliner vor drei Jahren in Westberlin begann, reichte ihm nicht. Er fing an zu malen, und innerhalb eines Jahres entstand eine erstaunliche Anzahl von Bildern.

Einfach »modern« sei Niermann, sagt sein Kommilitone Binswanger in einem wissensbeladenen, wortgewaltigen Begleittext abschließend, was von einem Maler Jahrgang 1969 eigentlich erwartet werden darf. Auch ein zweiter Text des Künstlers scheut sich nicht, schwerwiegend studierte Kenntnisse zu den eigenen Werken beizusteuern. Erwähnt sei hier nur die berechtigte Abgrenzung von Pop-Art und Postmoderne.

Weder Pop-Art-Glamour noch postmoderne Sinnlichkeit zieren die Leinwände. Eher weht durch die Pastell- und kräftige Grundfarbenmalerei ein Hauch von Francis Bacon, den Niermann als eines seiner Vorbilder benennt. Eine Frau in Daisy-Pumps und blauer Pluderhose hockt am Boden, einen fleischigen Mittelfinger in den kirschroten Knutschmund gesteckt. Der gesenkte Blick und die gequälte Schwingung ihres Körpers verrät etwas von den Visionen tiefster Hoffnungslosigkeit und Angst in Bacons Malerei. Doch gleich auf dem nächsten Bild gibt es einen braven Ausgleich, der die erahnte Obesession wieder rückgängig macht. Eine Person in grün, langbeinig barfüßig und gut gelaunt wippend, trägt den weißen Sonntagshut ihrer Großmutter im umgebenden Pastellrosé spazieren.

Die »Pop, nicht Pop-Art«-Freischwinger Niermanns sind die ersten Bilder, die in der neueröffneten Galerie Likörfabrik im Scheunenviertel präsentiert werden. Nach dem Wunsch der Veranstalter, dem Gemeinen Kunstverein und dem B.E.A.M. e.V. (Berlins evolutionäre Art Misson), soll in den kunstgerecht verfallenen Räumen eine ständige Ausstellungslokalität entstehen. Vorrangig wird die Galerie den Künstlern zur Verfügung stehen, die in den Ateliers des ebenfalls in der Auguststraße ansässigen Kunstblocks Berolina arbeiten. Nach dem Kunstblock ist die Likörfarik ein neues Kind des ehrgeizigen Projektes der beiden aus Ost und West stammenden Kunstvereine, die sich die Schaffung von Atelier-, Arbeits- und Ausstellungsräumen, sowie Organisation von Projekten zum Ziel gesetzt haben.

Niermann ist jedenfalls ein artiger Anfang.

Bis 10.6. in der Auguststr. 91, 1040, Di-So 14-20 Uhr. Barbara Schäfer