Klarer Fall: Kultur-Brauerei

■ Die Schultheiss-Brauerei im Prenzlauer Berg soll zum Kultur- und Stadtteilzentrum werden

Da braut sich nichts mehr zusammen, sagte die östliche Siegermacht. Und enteignete auch Schultheiss. Das riesige Firmengelände an der Schönhauser Allee nutzt seit den fünfziger Jahren ein Möbelhandel. Wer für den Aufbau arbeitete, sollte seinen Lohn nicht versaufen. Der sollte seiner Familie zu Weihnachten ein paar Stühle kaufen, damit sie am Gabentisch sitzen konnte. Im Zentrum wurde an der Stalinallee gebaut. Architektur als Zeichen: So sieht es bald überall aus, laßt uns nur ein wenig Zeit. Dann verschwinden die »Mietskasernen«, Relikt des Kapitalismus, auch im Prenzlauer Berg. Und mit ihnen die Fabrikgebäude, Stätten der Ausbeutung und des Profits. Bis dahin sollte die befreite Arbeiterschaft in ihnen für den Aufschwung werken. Aber Braukessel eignen sich schlecht als Hochöfen. Doch ein Dach über dem Sudhaus schützt auch Schrankwände vor Regen. Also Möbel einlagern.

Die Jahre gingen ins Land, die Einstellung zur Vergangenheit änderte sich. Der alte Fritz ritt wieder Unter den Linden, der Magistrat beschließt 1979 die Erarbeitung einer »Bezirksdenkmalliste Berlin«. Punkt 3: Denkmale der Produktions- und Verkehrsgeschichte. Ziffer 58: Ehemalige Schultheiss-Brauerei, Schönhauser Allee/Sredzkistraße. Und schon damals die Idee: Hier könnte ein Stadtteil- und Kulturzentrum entstehen.

Statt dessen beginnt zwei Querstraßen weiter die Rekonstruktion der Husemannstraße. Hinter historischer Fassade wurde versteckter Kleinbürgermief als »typisch proletarisch« verkauft: Zur 750-Jahr-Feier Berlins biedert sich der Prenzelberg so den touristischen Kameras an. Als die Halbnation im Herbst 89 zu neuen Ufern aufzubrechen schien, wurde auch die Idee vom Kulturzentrum wieder diskutiert: Im März 90 gründen ihre Fürsprecher den Verein »Kultur-Brauerei«. Nächtelang sitzen sie, arbeiten an Konzeptionen, Nutzungsmodellen, Lageskizzen. Die Vereinsfreunde gehen zunächst davon aus, das Gelände vollständig zu übernehmen. Bald jedoch zeichnet sich ab, daß ein Festhalten daran das vorzeitige Aus für die Initiative bedeuten würde. Erfolgversprechender scheint da eine Planung, die ein Miteinander von Kunst, Kultur und Kommerz vorsieht. Ein Drittel der insgesamt 25.000 Quadratmeter sollen danach der Kultur zur Verfügung stehen, zwei Drittel der gewerblichen Nutzung.

Mit diesem Konzept geht die Kultur-Brauerei ins bürokratische Rennen. Allein auf kommunaler Ebene, so der Vereinsvorsitzende Stefan Weiß, hätten die Ansprechpartner innerhalb kürzester Frist dreimal gewechselt: erst Magistrat, dann Magisenat, jetzt Senat. Und bis sie herausfanden, daß die Treuhand Berlin Grundstück und Immobilie verkaufte, bis sie in die Amtsstuben vordrangen — das habe Wochen gedauert. Doch der Architekt und Designer Weiß, der schon in DDR-Zeiten solch avantgardistische Gestaltungsprojekte wie den U-Bahnhof Pankow/ Vinetastraße und die Bahnhofshalle in Dessau zu realisieren wußte, ließ sich dadurch nicht entmutigen. In der Treuhand Berlin fand der Verein in den Herren Croqui und Himstedt Vertreter einer in der DDR längst ausgestorbenen Gattung: »liberal gesinnte Bildungsbürger in Entscheidungsposition« (Weiß). Das vorgeschlagene Modell ging in die Ausschreibung um Grundstück und Immobilie ein. Der Käufer muß akzeptieren, daß er über ein Drittel der Fläche nicht verfügt, daß er als Investor aber auch hierfür verantwortlich zeichnet. Mitte Mai wurde die »Kultur-Brauerei Betreibergesellschaft mbH« gegründet. Sie soll nun die »geplante teilkulturelle Umnutzung« (Pressemitteilung) vorantreiben, die weiteren Verhandlungen mit Treuhand, Senat und Stadtbezirk führen und dafür Sorge tragen, daß die Interessen der Kultur nicht unter den Teppich gekehrt werden. In ihr vereinigt finden sich fünf gleichberechtigte Gesellschafter.

Sie heißen »Sonnenuhr e.V.«, »Musikszene e.V.«, »Stiftung Neue Industrie- und Alltagskultur«, »Franz-Club VAG GmbH« und »Kulturbrauerei e.V.«. In der Sonnenuhr können geistig Behinderte ihren eigenen künstlerischen Ausdruck finden — ohne den sonst vorherrschenden Therapiezwang. Sie wird schon im September ihr neues Domizil auf dem Gelände der Brauerei finden. Die Musikszene kümmert sich um soziale Belange von Musikern — wozu natürlich auch der permanente Mangel an Probenräumen gehört. Die Brauerei ist teilweise dreifach unterkellert, ideale Örtlichkeit für notorische Krachmacher also. Die Stiftung bewahrt eine umfangreiche Sammlung von Designentwürfen und Industrieprodukten der DDR, versteht sich aber nicht als »Heimatmuseum«, sondern als unbequemer Fragesteller in puncto »verantwortete Zukunft«, will das öffentliche Nachdenken über Sinn und Zweck unserer gegenständlichen Umwelt fördern. Der Franz- Club befand sich schon vorher auf dem Gelände, residiert in den ehemaligen Schankräumen. Mittlerweile arbeitet er auf kommerzieller Basis, will aber laut eigenen Aussagen »nicht das große Geld scheffeln, sondern ein ausgewogenes Kulturprogramm fahren«. Mit der am Wochenende stattfindenden, hauptsächlich vom Franz-Club organisierten Veranstaltung Hopfen und Malz will die Betreibergesellschaft einen ersten Eindruck von den Nutzungsmöglichkeit des Geländes vermitteln — und natürlich in die Offensive gehen. Uwe Baumgartner

Das Programm Hopfen und Malz ist im La Vie zu finden.