„Jobs not War!“

■ Kriegsgegner wollen die New Yorker Parade wegen der Kürzungen im Sozialbudget der Stadt stören

Zu feiern gibt es nun wirklich genug, findet Ben Wattenberg, US- Historiker am „American Enterprise Institute“ und uneingeschränkter Befürworter von Siegesparaden — und läßt kurz und unkompliziert die letzten fünfzig Jahre Revue passieren: „Wir haben die Kommunisten, die Nazis und die Banditen geschlagen. Da wird man sich doch mal gratulieren dürfen.“ Ein paar Spielverderber, darunter die „National Coalition against U.S. Intervention in the Middle East“, sehen das anders. Die „National Coalition“, im August 1990 vom ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark gegründet, hat vor mehreren Gerichten Anklage gegen die USA wegen Kriegsverbrechen eingereicht und für heute in New York unter dem Motto „Jobs not War“ zur Demonstration gegen die gleichzeitig stattfindende Siegesparade aufgerufen. Einige Wagemutige wollen es nicht beim Demonstrieren belassen, sondern sogar den Ablauf der Parade stören. „Denen kann man nur Glück wünschen“, sagt Teresa Gutierriz, Pressesprecherin der „National Coalition“ etwas fatalistisch. Nach den zu erwartenden Teilnehmerzahlen befragt, antwortet sie ausweichend und diplomatisch, die Siegesparade werde wohl zahlenmäßig „viel größer“ sein. In Washington waren es ganze 60 Leute, die am Tag vor der Parade gegen das waffenstarrende Siegesritual protestiert hatten. Die US-Friedensbewegung hat wahrlich schon bessere Zeiten gesehen.

Dabei legen die KriegsgegnerInnen den Finger durchaus auf einen wunden und für weite Teile der Bevölkerung schmerzhaften Punkt. New York, dessen Kassen ohnehin chronisch leer sind, steckt in einer seiner schlimmsten Finanzkrisen. Bürgermeister Dave Dinkins hatte gar vor einigen Wochen angedroht, aus Geldmangel die halbe Stadt dichtzumachen. „In Kürze werden hier Obdachlosenheime, Bibliotheken, Schulen und Schwimmbäder geschlossen“, sagt Gutierriz, „und es ist ganz klar, daß die Aufmerksamkeit der Leute von den innenpolitischen Problemen abgelenkt werden soll — so nach dem Motto: Wer stolz auf sein Land ist, der findet es nicht so schlimm, wenn er seine Kinder nicht ernähren kann.“

Sie spekuliert trotzdem darauf, daß die ökonomische Realität ihre MitbürgerInnen schnell einholen und ihnen den Spaß an ähnlichen Festivitäten in Zukunft verleiden wird. Was so unwahrscheinlich nicht ist, wie das Beispiel Seattle zeigt. Dort mußten die Stadtväter die Siegesparade absagen, weil eine seit Jahren fest verankerte Anti-Rüstungslobby massiv Widerstand leistete — und weil die Organisatoren des Spektakels nicht genug Geld zusammenbekamen, um den „Sieg über die Banditen“ gebührlich zu feiern.

Dorothee Wenner/Andrea Böhm