„Die Mutter aller Siegesparaden“

Am Rande des finanziellen Ruins inszeniert New York die größte Militärparade seit Ende des Zweiten Weltkriegs  ■ Aus Washington Rolf Paasch

„Ein General und eine kleine Schießerei... lenken von den Lebenshaltungskosten ab“ — unter diesem Motto des irischen Schriftstellers Brendan Behan feierte New York gestern in seiner „Operation Welcome Home“ die siegreiche Rückkehr der amerikanischen Truppen aus dem Golfkrieg. Nachdem die Obdachlosen sorgfältig aus dem Wege geräumt und 24.000 Soldaten zum Abmarsch auf der Halbinsel Manhattan gelandet waren, konnte sich die größte, teuerste und umstrittenste Siegesparade seit Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Weg durch das „Tal der Helden“ in den Schluchten des südlichen Broadways suchen und sich 12.000 Pfund bunte Konfetti und 6.000 Tonnen Papierfetzen aus den Wolkenkratzern des Finanzviertels aufs Haupt regnen lassen.

Obwohl die 'Village Voice‘ ihre Leser mit zahlreichen Ideen zum „Pissen auf die Parade“ versorgt hatte, blieben die Protestaktionen hauptsächlich kleineren „Guerillagruppen“ vorbehalten, die sich mit dem Werfen von Eiern und Farbballons hier und dort den Zorn der Jubelnden und Bejubelten zuzogen.

Ging es doch hier im „Big Apple“ nicht nur um den Dank an die Truppen, sondern auch um die traditionelle Rivalität mit der politischen Kapitale Washington, die bereits am Samstag ihre Siegesshow mit viel Pomp und militärischer Hardware abgehalten hatte.

Der Wettbewerb zwischen den beiden Städten um die meisten Siegesschleifen, Panzer, Blaskapellen und Feuerwerkskörper hatte vor allem in New York zur Kritik an den Organisatoren geführt; und dies, obwohl die angeblichen Kosten von fünf Millionen Dollar hier im Gegensatz zu Washington allein durch private Spenden aufgebracht wurden. Hätten all die Firmen das Geld für ihre ganzseitigen Anzeigen in der 24seitigen Paraden-Beilage der 'New York Times‘ für die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgegeben, so ein Kritiker, wäre der Stadt mit ihrer zerfallenden Infrastruktur mehr geholfen.

Das Defizit in New Yorks 29-Milliarden-Dollar-Budget beträgt in diesem Jahr 3,5 Milliarden Dollar (sechs Milliarden Mark). Die Steuerflucht abwandernder Unternehmen läßt die Stadt mit ihren über zweitausend abbröckelnden Brücken und ihrer Aids-Katastrophe im Gesundheitswesen allein. So wird der „Mutter aller Siegesparaden“ (Bürgermeister Dinkins) demnächst vermutlich „die Großmutter aller Budgetkrisen“ folgen. Nach dem Zusammenfegen des Parademülls müssen jedenfalls die Straßenkehrer, wie Tausende andere städtische Angestellte, nun täglich mit ihrer Entlassung rechnen.