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Prozeß gegen Neonazi Heise beginnt

Der mehrfach vorbestrafte FAP-Funktionär war zwischenzeitlich in der ehemaligen DDR untergetaucht/ Anklage wirft Heise unter anderem versuchten Totschlag vor  ■ Aus Göttingen Reimar Paul

Vor einer Jugendstrafkammer des Göttinger Landgerichts beginnt heute der Strafprozeß gegen den Neonazi und Funktionär der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-Partei“ (FAP), Thorsten Heise. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 22jährigen unter anderem versuchten Totschlag vor. Dem ursprünglichen Prozeßtermin im Mai letzten Jahres hatte sich Heise durch Flucht in die neuen Bundesländer entzogen.

Bis zu seinem Abtauchen galt Thorsten Heise als „Kronprinz“ des niedersächsischen FAP-Chefs Karl Polacek, der in Mackenrode bei Göttingen auch ein „Schulungszentrum“ der Organisation unterhält. Seit 1987, als er sich an einer „Führergeburtstagsfeier“ in Northeim beteiligte, war Heise bei den meisten neo- nazistischen Aktionen im Raum Göttingen dabei. So mischte der gelernte Radio- und Fernsehtechniker im Januar 1988 bei einem Überfall von rund 40 Skinheads auf ein Göttinger Jugendzentrum mit. Kurze Zeit später wurde Heise zu einer Haftstrafe mit Bewährung verurteilt, weil er einen Türken zusammengeschlagen hatte. Am 6. Mai 1989 versuchte Heise, mit seinem Kübelwagen einen libanesischen Asylbewerber zu überfahren. Der Mann konnte sich nur durch einen Sprung retten, Heise wurde zunächst wegen Eingriffs in den Straßenverkehr, später wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Auch in der FAP machte Thorsten Heise Karriere. Zunächst stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Göttingen/Northeim, ernannte ihn die Organisation auf ihrem Aachener Parteitag am 17. März 1990 zum „kommissarischen“ Landesvorsitzenden. Den letzten großen Auftritt vor seiner Flucht hatte Heise dann im April, als nach einem von ihm angemeldeten Rockkonzert rund 800 Skinheads stundenlang im thüringischen Nordhausen randalierten. In der DDR soll der Neonazi nach Informationen aus Antifa-Kreisen maßgeblich beim Aufbau von FAP-Landesverbänden beteiligt gewesen sein.

Breiten Raum nahmen in der Vergangenheit auch Spekulationen ein, Thorsten Heise könnte als V-Mann des Verfassungsschutzes oder der Polizei in die rechtsextremistische Szene eingeschleust worden sein. Er hatte im DDR-Fernsehmagazin Zack im November 1989 erklärt: „Wir versuchen, so weit es geht, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, ihnen Straftäter zuzuführen. Das klappt teilweise gut. Wir stehen durchaus positiv zur Polizei, speziell zu zivilen Streifenkommandos...“

Angeblich wegen massiver anonymer Drohungen hat Heises Wahlverteidiger, der ehemalige Landesschriftführer und Parlamentskandidat der „Republikaner“, Klaus Kunze, sein Mandat niedergelegt. Heise ist jetzt ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden.

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