INTERVIEW
: Erst die Definition, dann die Erklärung

■ Urabstimmung zum Bündnis 90 in Brandenburg/ Die Hälfte der NF-Bürgerbewegten übt sich in Enthaltsamkeit

An der Urabstimmung zum Bündnis90 in Brandenburg nahmen (geschätzt) 78 Prozent der Mitglieder von Demokratie Jetzt und 50 Prozent der Mitglieder vom Neuen Forum teil. (Genaue Mitgliederzahlen sind weder in der Geschäftsstelle noch bei anderen Gremien zu erhalten.) Von denen sprachen sich bei Demokratie Jetzt fast alle und beim Neuen Forum über zwei Drittel für den Zusammenschluß zum Bündnis 90 aus und bestätigten einen entsprechenden Beschluß vom Februar des Jahres. Die taz befragte Markus Derling, Geschäftsführer der Landtagsfraktion des NF:

taz: Das Statut des NF läßt eine derartige „Verschmelzung“ auf Landesebene nicht zu. Erst im September wird das Bundesforum darüber entscheiden, inwieweit die Landesorganisationen in dieser Entscheidung autonom sind.

Derrling: Im Statut steht, Entscheidungen über politische und Strukturfragen werden „von unten nach oben“ entwickelt. Wir sind also richtig vorgegangen, wenn wir durch die Urabstimmung den Landesverband als Bündnis 90 definiert haben und im nachhinein die juristische Klärung erfolgt. Nur weil das im NF-Statut nicht geklärt ist, hätten wir doch nicht länger warten können.

Bis zum Oktober muß ein überregionales Bündnis 90 als politische Vereinigung angemeldet sein, um an den Wahlen teilnehmen zu können. Die Zeit wird knapp.

Ich sehe das genauso kritisch. Wir müssen die Zeit bis zum Herbst für gründliche Vorbereitungen nutzen, damit letztlich nur noch die Formalitäten zu erledigen sind. Am 22. Juni wird in Königs Wusterhausen die erste Arbeitskonferenz des Bündnis 90 Brandenburg stattfinden. Wir wollen uns dort weniger wie bisher mit uns selbst, sondern mit Sachproblemen beschäftigen.

Die Hälfte der (geschätzten) 1.000 Mitglieder des NF in Brandenburg blieb der Abstimmung fern. In den Kreisen Strausberg, Schwedt und Frankfurt gab es keine Mehrheit für die Fusion. Möglich, daß dort ein eigenständiger Landesverband Neues Forum bevorzugt wird und dann eine selbstzerfleischende Konkurrenz zwischen den Bürgerbewegungen herauskommt.

Die Frage schließt eine Krise ein, die ich so nicht sehe. Bei der Urabstimmung hat sich die Basis geäußert, über die immer soviel theoretisch gesprochen wird. Sie hat sich für den Zusammenschluß entschieden. Das Statut von Bündnis 90 sagt, daß es keine Zwangseingliederungen von Gruppen gibt, die mit Nein stimmten. Es ist für uns selbstverständlich, sie trotzdem in die Arbeit einzubeziehen. Erst wenn wir dieses Prinzip aufgeben, entwickeln wir uns zur Partei. Die Gefahr sehe ich im Moment nicht: Die Offenheit ist einfach zu groß. Übrigens haben weit über 500 Basisvertreter mit dem Stimmzettel gleich eine Mitgliedserklärung abgegeben. Auf dieser Grundlage können wir das Bündnis aufbauen. Interview: Irina Grabowski