„Für die ascheschwarzen kleinen Mauler in der Ecke!"

■ Senator Scherf über sein 60 Millionen schweres „Kulturprogramm“

Wenn es mit rechten Dingen zugeht, bekommt Bremens Kultur in den nächsten vier Jahren gut 60 Millionen Mark zusätzlich. So steht es rechtzeitig vor der Wahl geschrieben in dem „Kulturprogramm 1992-1995“, welches der Senat vorgestern verabschiedet hat. Der Kulturetat würde damit von jetzt 90,7 bis auf 124,9 Millionen Mark im Jahr 1994 steigen. Die taz sprach mit Kultursenator Scherf über Versprechen und künftige Geldregenschauer.

taz: Hat sich schon jemand bedankt für das Wahlgeschenk?

Henning Scherf: Man kann doch mit Künstlern keine Wahlen gewinnen. Gegen Künstler könnte man Wahlen sehr wohl gewinnen. Nein, der Senat bindet sich damit. Immerhin arbeiten wir uns von einem der letzten Plätze, was Kulturförderung betrifft, jetzt voran. Wir sind uns einig, daß Bremen so etwas wie ein Profil entwickeln muß. Es ist ein Irrglaube zu denken, das könnte man mit Litaneien von Arbeitslosenzahlen bewirken. Ich kenne viele Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die gerade weil es ihnen so schlecht geht, ihre Bürgeridentität im Kulturellen suchen.

Im Programm steht im wesentlichen die Reparatur alter Versäumnisse. Könnte Kulturförderung nicht ein bißchen mehr sein als der laue Regen über alles?

Aber es ist doch der sehr ehrgeizige Versuch, eine Struktur hineinzukriegen. Diese Fonds für Musik, Theater, Volksbildung undsoweiter, die gab es hier noch nicht. Wir bauen Kulturachsen in den Regionen auf und stopfen nicht alles in die Innenstadt; Wir wollen entwickeln, was wir haben und nicht große Leute einfliegen. Wir machen keine Staatskultur, wo wir einem viel Geld geben, und der malt uns schön an.und wir spielen Profis, Halbprofis, Amateure nicht, wie sonst überall, gegeneinander aus. Hier sollen die Kleinen Platz haben. Es ist geradezu ein Programm für sie, für die, die immer in der Ecke stehen und maulen und sich mit schwarzer Asche beschmieren. Das hat Struktur, das ist ein zusammenkomponiertes Gebilde.

Und wie ist die Finanzierung komponiert? Im Investitionsprogramm 92-94 stehen dafür nur gut 16 Millionen bereit. Wo kommt der Rest her?

Das sind, auf vier Jahre verteilt: je acht Millionen aus einer Haushaltsaufstockung, acht aus der Stiftung „Wohnliche Stadt“, acht erhält aus dem Wirtschaftsaktionsprogramm das Kulturbüro, acht kriegt aus Globalmitteln des Finanzsenators die Kulturstiftung. Deren private Einzahler sollen nochmal acht Millionen aufbringen. Plus vier Millionen aus Lottomitteln ergibt die fehlenden 44 Millionen.

Das künftige „Kulturbüro“ soll das, was sowieso geschieht, bloß häufig ungeschickt, ein bißchen managen. Müssen wir da eine Verbreiterung der Kulturbehörde befürchten?

Das ist, wie die Stiftung, ein staatsfernes Projekt. Wir stellen uns hier eine professionelle und übrigens kommerziell arbeitende Agentur vor, die uns die Konkurrenz zu anderen europäischen Plätzen aushalten läßt. Wir in Bremen scheiden bei ganz vielen großen Programmideen aus, weil es hier zuwenig Cleverness gibt. Da muß sich jemand kümmern...

Auch um ein ordentlich gemachtes Musikfest?

Meinetwegen. Oder wenn Sie sehen, was jetzt mit „Peter dem Großen“ passiert oder das Kreml- Gold vorher. Das könnte alles professionalisiert werden.

Wo wir schon dabei sind: Das Ernst-Waldau-Theater kommt auch vor im Programm. Da ist von „auswärtigen Experten“ die Rede, mit deren Hilfe an einer „Neuorientierung“ gearbeitet werde. Jetzt frohlocken die Gerechten, und die Ungerechten erbeben?

Da habe ich nächste Woche wichtige Gespräche. Vorher will ich nichts sagen.

Und daß Viotti nicht nur Generalmusikdirektor bleibt, sondern sogar Oberspielleiter der Oper wird, ist das mit dem künftigen Intendanten Heyme schon geregelt?

Da reden wir noch. Es läuft darauf hinaus. Viotti hatte ja in Luzern schon die Verantwortung für alles. Und derzeit bemühen sich ganz große Bühnen um ihn. Wenn wir dumm sind, lassen wir ihn gehen. Interview: Manfred Dworschak