Euro-Gericht: Sieg für irische Lebensschützer

Dublin (taz) — Die Telefonnummer einer englischen Abtreibungsklinik ist laut der irischen Verfassung ein Mordwerkzeug. Ihre Weitergabe gilt als „vorsätzliche Tatbeihilfe“ und wird bestraft. Der Rechtsberater des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, Walter van Gerven, hält dies für legal: Zwar bestehe in der EG ein Recht auf Informationen über Dienstleistungen anderer Mitgliedsstaaten, doch in Fragen „moralischer Natur, bei denen es um grundlegende Interessen der Gesellschaft“ gehe, müßten die einzelnen Länder Entscheidungsfreiheit haben.

Van Gervens Gutachten vom Dienstag bezog sich auf die Klage gegen 14 irische Studentinnen, die sich nicht an das Informationsverbot gehalten hatten und deshalb von der erzreaktionären „Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder“ (SPUC) vor Gericht gebracht worden waren. Die Dubliner Richterin Carroll sah sich im Oktober 1989 jedoch nicht in der Lage, über die Klage zu entscheiden, und verwies den Fall an das Europäische Gericht.

SPUC hatte 1983 nach einer beispiellosen Propagandakampagne dafür gesorgt, daß das Abtreibungsverbot in der irischen Verfassung verankert wurde. Doch damit gaben sich die Hüter der katholischen Moral noch nicht zufrieden. Drei Jahre später erklärte das höchste irische Gericht nach einer SPUC-Klage auch die Weitergabe von Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten in Großbritannien für verfassungswidrig.

Van Gervens Gutachten hat den „Lebensschützern“ nun den Weg geebnet, dieses Verbot durchzusetzen. In 80 Prozent aller Fälle folgt das Euro-Gericht der Empfehlung des Beraters. Mit einem Urteil ist jedoch nicht vor Herbst zu rechnen. Die Präsidentin der Studentenvertretung, Maxine Brady, kündigte gestern an, daß ihre Organisation weiter über Abtreibung informieren werde.

In Irland ist das Thema auch nach dem Luxemburger Urteil nicht vom Tisch. Gleichzeitig haben zwei Dubliner Frauenberatungsstellen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage auf Informationsfreiheit über Abtreibung angestrengt. Die Urteile beider Gerichte sind für Irland bindend. Sollten sie gegensätzlich ausfallen, beginnt der gesamte Rechtsstreit vermutlich von neuem. Die Irinnen, die sich zur Abtreibung entschließen, wird der Entscheid nicht beeindrucken: Jedes Jahr fahren mindestens 4.000 von ihnen in englische Kliniken. Ralf Sotscheck