„Bis sie uns Respekt zeigen“

Die chinesische Regierung reagiert verärgert auf alle Bestrebungen, in Hongkong vor 1997 demokratische Rechte zu verankern  ■ Aus Hongkong Stephen Vines

Die chinesische Regierung reagierte schnell. Weniger als 24 Stunden nachdem Hongkong in der vergangenen Woche eine Bill of Rights verabschiedete, mit der bürgerliche Grundrechte im Hongkonger Rechtssystem verankert werden sollen, gab es Protest aus Peking. Ein Regierungssprecher erklärte, nach der Übergabe der Kolonie an China im Jahr 1997 werde dieses Gesetz möglicherweise wieder abgeschafft. Begründung: Es widerspräche dem Basic Law, dem Grundgesetz Hongkongs, das 1997 in Kraft treten soll.

Mit dem neuen Gesetz findet die UNO-Konvention über die Politischen und Bürgerlichen Rechte Eingang in die Statuten der Kolonie. Obwohl, wie KritikerInnen der Hongkonger Regierung anmerken, die in der Bill of Rights garantierten Grundrechte bereits aus Rücksicht auf chinesische Wünsche verwässert worden sind, bleibt China unzufrieden. Denn die Regierung in Peking interpretiert die Verabschiedung dieses Gesetzes als einen Versuch der britischen Kolonialregierung, den Spielraum des zukünftigen Regimes nach 1997 einzuschränken.

Heutzutage scheinen Großbritannien und China in so ziemlich allen Fragen, die Hongkong und die Übergabe der Macht betreffen, auf Kollisionskurs zu liegen. In dieser Woche trifft sich zum neunzehnten Mal die sino-britische Verbindungsgruppe, das Gremium, das für die Erarbeitung der Details der Machtübergabe betraut ist. Bisher konnte die Gruppe in noch keinem Verhandlungspunkt zu einem Übereinkommen gelangen, da die Treffen nach dem Tiananmen- Massaker vom Juni 1989 vorübergehend suspendiert worden waren.

Das Massaker versetzte Hongkong in höchste Nervosität. Um das Vertrauen in die Zukunft der Kolonie zu erhalten, initiierte die Kolonialregierung eine Reihe von Maßnahmen, zu der auch die Bill of Rights gehörte. Die Hongkonger Kommentatorin Margaret Ng brachte die unterschwelligen Gründe für den lautstarken Protest der chinesischen Regierung auf den Punkt. Die Verabschiedung der Bill of Rights impliziere, so erklärte sie, „daß zusätzliche gesetzgeberische Sicherungen gegen die chinesische Regierung notwendig sind, weil die chinesische Regierung nach 1997 wahrscheinlich gegen diese Rechte verstoßen wird“.

Obwohl sich in Hongkong kaum jemand der Illusion hingibt, daß eine Regierung, die sich fähig gezeigt hat, die Gewehre gegen ihre eigene Bevölkerung zu richten, durch ein Gesetz zurückzuhalten sei, sollen doch soviele Barrieren wie möglich errichtet werden. Das weiß die Regierung in Peking, und das verdoppelt noch ihren Zorn.

China reagierte auf die weltweiten Proteste über die blutige Unterdrückung der Demokratiebewegung, indem sie sie ignorierte, sich ruhig verhielt und wartete, bis sie sich verausgabt hatten. Dies erwies sich als kluge Strategie, und China hat seine alte Position fast schon wiedererlangt. Auf die massiven Proteste in Hongkong hingegen mußte die chinesische Regierung nicht ebenso passiv reagieren. Nur noch sechs Jahre liegen vor der Übergabe, und so kann China auf vielfältige Weise Rache nehmen an der scheinbar rebellischen Bevölkerung von Hongkong. Pekings Mittel der Wahl zur Ausübung dieser Rache scheint die Obstruktion zu sein. China wird bei allen Entscheidungen, die für die Zeit nach 1997 von Bedeutung sind, alle Hindernisse in den Weg legen, bis, wie es ein hoher Funktionär ausdrückte, „sie uns Respekt zeigen“.