Raus aus der Besenkammer Europas

KSZE in Berlin: „Rat der Frauen“ fordert Folgekonferenz zum Thema „Menschenrechte — Frauenrechte“/ Paritätisch besetzte „Kontrollräte“ sollen KSZE und UNO demokratisieren  ■ Aus Berlin Ulrike Helwerth

Eine KSZE-Folgekonferenz zum Thema „Menschenrechte — Frauenrechte“ sowie ein paritätisch besetzter „KSZE-Kontrollrat“ — so lauten die Forderungen, mit denen sich ein „Rat der Frauen“ auf der morgen in Berlin beginnenden KSZE-Runde der Außenminister Gehör verschaffen will. Das Gremium aus Berliner Feministinnen und Vertreterinnen frauenpolitischer Organisationen, mittlerweile als NGO (Nichtregierungs-Organisation) anerkannt, knüpft mit seinen Anträgen an die Beschlüsse der ersten „KSZE der Frauen“ im November 1990 an.

Unter der Schirmherrinschaft der damaligen Frauensenatorin Anne Klein hatten sich in Berlin Teilnehmerinnen aus fast allen europäischen Ländern getroffen, um aus ihrer Sicht über die vielbeschworene „europäische Integration“ zu diskutieren und endlich ihre Beteiligung an diesem Prozeß einzuklagen. Eine Proklamation für Frauenrechte wurde zwar umgehend den KSZE- Außenministern persönlich übermittelt, fand aber in der Pariser Charta vom 21.11. 1990 keine Resonanz. Das Wort „Frauen“ kommt in diesem Papier kein einziges Mal vor.

Jetzt wollen es die Initiatorinnen der „KSZE der Frauen“ in Berlin erneut versuchen. Während der Anhörung der NGOs wird Anne Klein, im Namen des „Rates der Frau“, den europäischen Außenministern zwei Anträge vorlesen. Der erste greift eine Hauptforderung des Herbsttreffens auf: Die KSZE soll die 6. Folgekonferenz zum Thema Menschenrechte — Frauenrechte vorbereiten, in deren Rahmen auf einer Anhörung internationale ExpertInnen über Frauenrechtsverletzungen in den KSZE-Staaten berichten sollen. Vorgeschlagene Schwerpunkte: a) die Ungleichbehandlung von Frauen in zivilen, politischen, wirtschaftlichen sowie sozialen Rechtssystemen unter besonderer Berücksichtigung von Migrantinnen und aus frauenspezifischen, religiösen sowie politischen Gründen verfolgten Frauen; b) die Erarbeitung von Studien zu Ausmaß und Ursachen der unterschiedlichen Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen im öffentlichen und privaten Raum; c) die Entwicklung von konkreten Möglichkeiten, gewaltfreie Konfliktlösungsstrategien von Frauen nutzbar zu machen unter Einbeziehung der Ergebnisse der Frauenfriedensforschung.

„Der Weg zum Frieden in der Welt, der Weg nach Ost-West-Europa geht nur mit den Frauen und nicht — wie bisher — mit Frauen als Statistinnen, die am Rande des Weges dem männlichen Lauf schweigend zusehen“, heißt es in der Antragsbegründung. Im „europäischen Haus“ könnten Frauen nicht länger „in der Besenkammer eingesperrt“ bleiben.

Der zweite Antrag ist eine Reaktion auf den Golfkrieg. Verlangt wird darin die Einrichtung eines mit Frauen und Männern paritätisch besetzten KSZE-Kontrollrates. Denn: „Das offensichtliche Versagen des UN-Sicherheitsrates bezüglich einer gewaltfreien Konfliktregulierung in der Golfregion darf sich unter den Bedingungen der fortlaufenden Hochrüstung und der nach wie vor potentiell gewaltträchtigen internationalen Beziehungen nicht wiederholen.“ Daher müßten sowohl bei der KSZE als auch bei der UNO solche Kontrollräte eingesetzt werden, die sich aus VertreterInnen der jeweils assoziierten NGOs zusammensetzen, schlugen die Antragstellerinnen vor.

Aufgabe dieser Kontrollräte: Die ständige und weltweite Beobachtung von nationalstaatlichen, ethnonationalistischen und religiösen Konflikten — unter besonderer Berücksichtigung der Verletzung von Frauenrechten, die Erarbeitung von je spezifischen, gewaltfreien Konfliktlösungsmodellen und die Überwachung der humanitären Standards aller KSZE-Schlußakten bzw. der UN-Charta, auch auf die Einhaltung von Frauenrechten hin. Beide Kontrollräte sollten nur mit qualifizierter Mehrheit (Zweidrittel bzw. Dreiviertel) entscheiden dürfen und mit einem differenzierten Vetorecht ausgestattet werden, heißt es im Antrag. Die Initiatorinnen versprechen sich von diesen Kontrollräten nicht nur eine „Demokratisierung der KSZE- und UNO-Entscheidungsfindung“, sondern räumen ihnen und ihrer „konfliktregulierenden Deeskalationsrolle“ — die „gleichberechtigte Mitwirkung von Frauen mit ihren Lebenserfahrungen bzw. Fachkenntnissen“ vorausgesetzt — schon jetzt einen „zentralen Platz in der Völkergemeinschaft“ ein.