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Auftakt zur letzten Kraftprobe

Oberster Sowjet fühlt sich durch die Beschlüsse der Republikspräsidenten über den Unionsvertrag ausgebootet/ Konservative Parlamentsfraktion will Machtbefugnisse Gorbatschows beschränken  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Im Obersten Sowjet der UdSSR blasen die konservativen Kräfte zu ihrem wahrscheinlich letzten Gefecht. Hintergrund der Attacke ist die faktische Machtverlagerung von der Unionsregierung unter Vizepremier Walentin Pawlow hin zum Rat der „Neun-plus-Eins“. Ihm gehören neben Gorbatschow die Präsidenten der neun Republiken an, die auch einer umgestalteten Union weiterhin treu bleiben wollen. Ohne die sowjetische Regierung zu fragen und den Obersten Sowjet zu konsultieren, hat Gorbatschow mit den Republiken ein neues Unionsvertragskonzept erarbeitet. Sollte dieses Paket in allernächster Zukunft unterzeichnet werden, bedeutet das für die jetzige Regierung und die Deputierten des Obersten Sowjet, daß sie bald ihren Hut nehmen müssen. Der Vertrag sieht nämlich Neuwahlen des Präsidenten und des Obersten Sowjet vor, der in seiner jetzigen Zusammensetzung mehrheitlich konservativ gewirkt ist. Und die Deputierten können sich nach den Wahlen in Rußland ausrechnen, wie es ihnen ergehen wird. Daher wundert's nicht, wenn die Speerspitzen der konservativen „Sojus“-Fraktion sich jetzt noch einmal aufbäumen. Nach Vizepremier Pawlow gaben nun auch noch die Gralshüter des alten Systems ihren Bericht zur „Lage der Nation“: Verteidigungsminister Jasow, KGB- Chef Krjutschkow und Innenminister Pugo. Was diese Herren von sich gegeben haben, steht in den Sternen. Denn vorher wurden fein säuberlich alle Journalisten des Saales verwiesen. Offener gab sich das zweite Glied: „Wir sollten dem Präsidenten die Machtkompetenzen entziehen, die er sowieso nicht nutzt“, dröhnte der Betriebsmanager Walow. Ihm assistierten andere Hardliner, die nun bedauerten, Ende letzten Jahres den Präsidenten mit zusätzlichen Rechten ausgestattet zu haben, die er heute nur noch gegen die Regierung ins Feld führe. „Zwei Kräfte arbeiten heute noch für den Erhalt der Union, der Oberste Sowjet und die Regierung“, meinte Anatolij Tschechojew, einer der Wortführer der Sojus- Fraktion. Sie drohten für den Verlauf der weiteren Sitzung auch die Verabschiedung einer Resolution an, die der Regierung die Vollmachten erteilen würde, die Wirtschaftspolitik selbst in die Hände zu nehmen und Gorbatschows Rechte für null und nichtig zu erklären.

In den Augen der Konservativen ist Gorbatschows Vorpreschen zum neuen Unionsvertrag ein offener Verfassungsbruch, der das Unionsabkommen von 1922 außer Kraft setzt. Wie bisher nur die radikale Opposition werfen nun auch die Konservativen Gorbatschow vor, nur noch eins im Sinn zu haben: an der Macht zu bleiben. Ganz falsch liegen sie damit nicht. Schließlich haben sie sich deswegen zwischenzeitlich mit ihm verbündet.

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