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Aufruf gegen Bremer Abschiebungen

■ Initiativen, Grüne und Senats-Zentralstelle wollen Flüchtlinge schützen

„Wir rufen alle Bremer auf, den von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen zu helfen. Sie brauchen materielle und ideelle Unterstützung, womöglich bis hin zum Schutz durch Verstecken.“ Mit diesem dringenden Appell wandten sich gestern dutzende Flüchtlings- und politische Organisationen in einem „Bremer Aufruf gegen Abschiebung“ an die Öffentlichkeit. Zur Pressekonferenz waren auch über 30 Flüchtlinge gekommen, die ebenso wie rund 1.500 weitere abgewiesene Bremer AsylbewerberInnen aus Krisengebieten ab dem 1. Juli von Abschiebung bedroht sind. An diesem Stichtag läuft die bisher übliche Duldungsregelung für alle Flüchtlinge aus Krisen- und Kriegsgebieten ab. Die Länderinnenminister konnten sich mit Bundesinnenminister Schäuble nicht auf eine Verlängerung verständigen.

„Erst letzte Woche ist im Osten Sri-Lankas vom Militär ein ganzes Dorf überfallen worden; 180 Tamilen wurden umgebracht“, berichtete einer der tamilischen Flüchtlinge. Unter den Bremer

Tamilen herrsche jetzt „große Angst“ vor der ab 1. Juli drohenden Abschiebung. Auch im Iran, im Libanon oder im jugoslawischen Kosovo könne von einer Verbesserung der Menschenrechtssituation keine Rede sein, versicherten Flüchtlinge aus diesen Ländern oder ihre deutschen UnterstützerInnen. Viele von ihnen stehen noch in direktem Kontakt mit Flüchtlingen, die nach einer erzwungenen Rückkehr verfolgt, gefoltert wurden — manche sogar umgebracht.

„Folter oder sogar Todesgefahr sind jedoch in Deutschland kein Asylgrund“, berichtete der Anwalt Albert Timmer, „entscheidend für die Anerkennung einer Asylberechtigung ist nicht die Härte der Verfolgung, sondern die Motivation der Verfolger.“ So wird das Asylrecht von Kurden vor den Verwaltungsgerichten zum Beispiel auch dann abgelehnt, wenn sie allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit schwer mißhandelt wurden, da „Folter in der Türkei ein landesübliches Mittel der Rechtspflege ist“, so

hier die karikatur

die richterliche Begründung. Deserteure, denen auch nach Ende der beiden Golfkriege im Iran oder Irak die Todesstrafe droht, werden in Deutschland nicht als Asylberechtigte anerkannt, da ihre Verfolgung in der Heimat ja gesetzlich geregelt sei.

Trotz Ablehnung ihrer Asylanträge waren die Flüchtlinge aus Krisengebieten bisher durch die am 1. Juli auslaufene Duldungsregelung vor Abschiebung geschützt. Zwar werde auch nach dem Stichtag „kein Abschiebebus herumfahren und Flüchtlinge einsammeln“, vermutete Anwalt Timmer gestern, doch von der grundsätzlichen Entscheidung werde in Bonn wohl nicht mehr abgerückt.

Vom Bremer Senat fordert das Bündnis gegen die Abschiebungen deshalb jetzt eine Initiative im Bundesrat und eine großzügige Wahrnehmung des weiterhin auf Landesebene bestehenden Rechtes, in Einzelfällen „aus dringenden humanitären Gründen“ Aufenthaltsberechtigungen zu vergeben. Diesem Appell hat sich ge

stern auch die Leiterin der Integrations-Zentralstelle des Senats, Dagmar Lill, angeschlossen. Auch sie fordert die „volle Ausschöpfung der Ermessensspielräume“ zum Beispiel für alle Flüchtlinge, „die krank oder behindert sind, die sich in Ausbildung befinden oder die Chance haben, eine Ausbildung zu beginnen“. Einen entsprechenden Antrag haben die Grünen auch für die nächste Sitzung der Bürgerschaft eingebracht.

„Es ist noch nicht alles verloren“, sagte eine Sprecherin des Bremer Aufrufs, Heide Koops, gestern, „aber ein Bleiberecht wird es für einzelne bedrohte Flüchtlinge nur geben, wenn man wie verrückt darum kämpft.“ Ase

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