Abstieg nach der »goldenen Schulzeit«

■ Prenzelberger Jugendliche frustriert über fehlende berufliche Perspektiven und Verhältnisse zu Hause

Berlin. Die Tage von 3.000 SchülerInnen im Prenzlauer Berg sind gezählt. In zwei Wochen ist für sie die »goldene Schulzeit« beendet. Was danach kommen wird, steht in den Sternen. Einen Ausbildungsplatz hat bis jetzt kaum jemand. Die Verunsicherung unter den jungen Leuten ist allerorten spürbar. Arbeitslose Eltern sind plötzlich den ganzen Tag zu Hause, ihre Kinder fühlen sich kontrolliert. Der Frust nimmt in vielen Familien zu, am Ende der Kette stehen meist die Kinder.

»Die Lage im Bezirk wird sicher im Herbst noch drastischer«, sagt Siegfried Zoesl, Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Sport. »Wir rechnen mit einem immensen Ausbildungsplatzmangel.« Siegfried Zoesl versucht, den jungen Leuten im Bezirk Alternativen anzubieten. Immerhin ist es ihm und seinen Kollegen gelungen, 23 an das Bezirksamt angegliederte Anlaufpunkte aufrechtzuerhalten: Freizeitheime, Schülerläden, Kursangebote und Beratungsstellen. Er hofft, bis zum Herbst zumindest ABM-Stellen in ausreichendem Maße kieznah schaffen zu können. »Und in 118 Kinderläden bringen wir noch einmal 118 Hilfskräfte unter. Qualifizierungsgesellschaften scheitern bisher an den ungeklärten Eigentumsverhältnissen.«

Jetzt hat die Jugend im Prenzlauer Berg eine weitere Anlaufstelle: Die JUB, Jugendberatung im Prenzlauer Berg, wurde gestern in der Schönfliesser Straße 14 offiziell eröffnet. Die ersten »Testwochen« haben die drei Mitarbeiterinnen schon hinter sich. Viele Jugendliche waren bereits da. »Die meisten wollen nicht mehr nach Hause zu den Eltern, sondern am liebsten aussteigen und wegrennen, weil ihnen alles zu schwierig ist«, erzählt Mitarbeiterin Cathrin Pötzsch. Die Probleme gleichen sich oft: Gerade Jugendliche würden nach wie vor an den goldenen Westen glauben, sich alles leisten können wollen und überall dabei sein. »Sie haben nur oft keine Ahnung, wie sie das anstellen sollen. Dann bricht eine Welt zusammen.« In der Realität von Leistungsgesellschaft und Arbeitsplatzmangel wählen sie dann oft den Weg des geringsten Widerstandes: den Ausstieg. Ab auf die Straße, in ehemals besetzte Häuser oder leerstehende Wohnungen. »Der Prenzlauer Berg hat so viele Nischen, wo junge Leute unterkriechen können«, sagt Cathrin Pötzsch. Die Zeit drängt. Der Verdrängungswettbewerb im alteingesessenen Arbeiterviertel wird mit der Entscheidung für Berlin als Regierungssitz noch einmal beschleunigt. Jeannette Goddar