INTERVIEW
: „Die rot-grüne Koalition in Niedersachsen ist ein Modell für Bonn“

■ Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) will weitere polizeiliche Räumungen in Gorleben nicht ausschließen

taz: Hat der rote Teil ihrer Landesregierung nicht schon nach einem Jahr dem grünen Koalitionspartner zuviel zugemutet, wie etwa die Fortsetzung des Planfestellungsverfahrens für Schacht Konrad, die Entscheidung für die Daimler-Teststrecke oder zuletzt die Räumung der Blockade in Gorleben?

Gerhard Schröder: Ich glaube, wir haben unserem Partner nicht zuviel zugemutet. Die Teststrecke haben wir gemeinsam beschlossen und sie rechtfertig sich aus sich selbst. Beim Thema Konrad gibt es keine inhaltlichen Unterschiede zwischen SPD und Grünen, wir hatten hier ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu vollziehen, wir haben uns an Recht und Gesetz zu halten. Im Konrad-Verfahren wird es sicher eine Menge, auch beachtenswerter Einwände von Bürgern geben. Bei Gorleben war die Rechtslage die gleiche. Wir haben vielleicht versäumt, gleich zu Beginn klarzumachen, daß die Verantwortlichkeit auch hier klar bei Bundesumweltminister Töpfer liegt, der den Dreck, den er sonst nirgendwo los wird, uns ins Land bringen will. Das können wir freiweillig nicht akzeptieren.

Der grüne Abgeordnete Kempmann hält weitere Räumungen in Gorleben für seine Partei nicht mehr verkraftbar.

Ich kann das nicht ändern. Ich will ja diese Räumungen nicht, will nicht, daß dieser Müll dorthin transportiert wird. Aber eine Landesregierung, die sich weigert, Gesetzlichkeiten durchzusetzen, auch wenn sie ihr nicht passen, stellt sich selber ins Abseits. Deswegen kann ich eine Wiederholung solcher Konflikte nicht ausschließen.

Selbst Ernst Albrecht hat einst den Bonner Gorleben-Plänen mit der Formel „politisch nicht durchsetzbar“ eine Abfuhr erteilt.

Das war eine völlig andere Situation, es ging um ein nukleares Entsorgungszentrum, das noch gebaut werden sollte. Auf das Zwischenlager haben wir rechtlich überhaupt keinen Zugriff. Außerdem muß die Tatsache „politisch nicht durchsetzbar“ auch wirklich stimmen, wenn man einen solchen Gesichtspunkt überhaupt ins Feld führen will. Gegen des Entsorgungszentrum waren damals schließlich Hunderttausende von Menschen auf der Straße.

Ist Rot-Grün nach ihren bisherigen Erfahrungen in Niedersachsen auch ein Modell für einen Regierungswechsel im Bund?

Uneingeschränkt ja. Wenn sich Verhältnisse herstellen lassen, was Stabilität, was Kalkulierbarkeit, Berechenbarkeit des Partners angeht, wie wir sie in Niedersachsen haben, dann ist Rot-Grün uneingeschränkt ein Modell für einen Wechsel im Bund. Die Koalitionen in Niedersachsen und Hessen entscheiden darüber, ob eine solche Konstellation auch eine bundespolitische Perspektive erhält. Ich wünsche mir das.

Diese bundespoltische Prespektive wäre gleichsam die Belohnung für das standhafte Verhalten der grünen Spitzenpolitiker gegenüber ihrer Basis.

Es geht nicht um Belohnungen, es geht um Vernunft. Die Grünen tun das, was auch von ihren eigenen Standpunkten her inhaltlich richtig ist. Ich muß meinen Leuten auch viel zumuten, die in manchen Bereichen auch gerne eine andere Politik machen würden. Man denke nur an das Thema Umwelt und Wirtschaft. Im übrigen hätten wir bei anderen Mehrheitsverhältnissen die ganzen, und vor die allem die Grünen schmerzenden, Querelen mit der Atompolitik überhaupt nicht. Interview: Jürgen Voges