Neue Einheitsschule in Sachsen

■ Gesamtschule draußen, Religion drin/ Die CDU-Fraktion schuf sich ihr maßgeschneidertes Schulgesetz und nennt es „typisch sächsisch“

Dresden. Auch aufwendige, parlamentarische Heilversuche konnten das sächsische Schulgesetz nicht vor der Roßkur bewahren. Mit einfacher Mehrheit drückte die regierende CDU das Gesetz durch.

40 Änderungsanträge brachten die Oppositionsparteien ein, allesamt fielen sie durch. Schließlich bestätigte auch die namentliche Abstimmung über das Gesetz nur die bekannten Mehrheitsverhältnisse im sächsischen Parlament. 80 CDU- Abgeordnete stimmten dafür, die Opposition lehnte ab oder enthielt sich der Stimme.

Als Kultusministerin Stefanie Rehm (CDU) im April ihren Gesetzentwurf vorlegte, pries sie ihn bereits als ein „typisch sächsisches Werk“. Mit dem Modell der Mittelschule sollte der „Glaubenskrieg zwischen klassischer Dreigliedrigkeit und Gesamtschule“ beendet werden. Die Gliederung bleibt, sie trägt nur andere Namen.

Der Grundschule bis zur vierten Klasse folgt die differenzierte Mittelschule und das Gymnasium. Mit Klasse 7 beginnt eine „auf Abschlüsse und Leistungsentwicklung bezogene Differenzierung. Die Schüler erwerben mit dem erfolgreichen Besuch der Klasse 9 den Hauptschulabschluß und können durch eine besondere Leistungsfeststellung den qualifizierten Hauptschulabschluß erwerben.“

Das Gesetz sieht für den erfolgreichen Abschluß der Klasse 10 einen Realschulabschluß vor. „Etikettenschwindel“, meinten die Sozialdemokraten und verlangten die Gesamtschule als Regelschule.

Gunther Hatzsch (SPD) berief sich auf 1.200 Zuschriften von Eltern, Initiativen, PädagogInnen, die sich auch dafür ausgesprochen hatten, die Orientierungsstufe der Grundschule zuzuordnen, damit die Kinder nicht nach der 4. Klasse die Schule wechseln müssen.

Ute Georgi (FDP), obwohl selbst dem dreigliedrigen Schulsystem zugetan, kritisierte scharf die „Einheitsschul-Politik“ der CDU-Fraktion, die „den Wunsch vieler Eltern mißachtet“.

Protest hatte die Opposition nicht nur gegen die neue Einheitsschule angesagt. Antje Rush (Bündnis 90/Grüne) zitierte eine Dresdner Kind-Umwelt-Initiative: „Wir fordern Ethik und Religionskunde als Pflichtfach statt Religionsunterricht für Gläubige und Ethik für Atheisten.“ Den Antrag, die selbst in der Kirche umstrittene Regelung für Religionsunterricht und Ethik wenigstens für ein Jahr zu vertagen und weiter zu diskutieren, erntete auf der Oppositionsbank eine satte Mehrheit, aber bei den Gesetzesautoren nur ein kühles Lächeln.

Eine führende Partei weiß besser, was das Volk will. Antje Rush kündigte unter dieser „CDU-Konformität“ für das sächsische Bildungswesen „muffige Zeiten“ an. „Was wäre alles drin gewesen“ im Modell der Mittelschule, fragte sie, „eine kühne Idee, eine Schule nur zu skelettieren und es den lokalen Gegebenheiten zu überlassen, sie zu beleben.“ Doch diese Idee sei durch die CDU-Arbeitsgruppe Bildung „verstümmelt“ worden, indem sie die Vielfalt der Möglichkeiten, wie Projektunterricht, heterogene Lerngruppen, Teamarbeit, eine Öffnung der Schulen zum gesellschaftlichen Umfeld, gar nicht erst zur Debatte stellt. Detlef Krell