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■ Zwiespältig * "Leid der Tiere", Mo., 21.55 Uhr, ARD

Wer wollte es einem Journalisten verdenken, eine brisante Story gleich mehrfach zu verkaufen. Zumal, wenn es das „Engagement in der Sache“ gebietet, einen Skandal so publik wie irgend möglich zu machen. Nachdem Mathias Welp im 'Stern‘ vom 13.Juni von den skrupellosen Methoden berichtet hatte, mit denen in spanischen Urlaubsorten Jagd auf streunende Hunde und Katzen gemacht wird, strahlte die ARD nun seinen (zusammen mit Claudia Ludwig gedrehten) „Film zum Artikel“ aus. Bilder von Häschern in städtischen Diensten, die wahllos freilaufende Tiere aufgriffen, sie anschließend einen qualvollen Gas-Tod sterben ließen und ihre Kadaver schließlich auf der öffentlichen Mülldeponie den Ratten zum Fraß vorwarfen.

Tierschützer, denen angesichts von Massentierhaltungen hierzulande prblemlos die Rede von „Tier- KZs“ über die Lippen kommt, werden bei diesen Szenen wahrscheinlich ohne sonderliche Skrupel an „Auschwitz“ gedacht haben. Aber auch Zeitgenossen, die ansonsten kein besonderes Verhältnis zur Spezies Haustier haben, dürften Chips und Nüßchen nicht mehr gemundet haben. (Wer will schließlich bestreiten, daß es hinsichtlich seiner „Betroffenheit“ einen Unterschied macht, ob „Miez“ und „Struppi“ gepeinigt werden oder Kammerjäger ekligen Nagern und anderem „Ungeziefer“ den Garaus machen).

Nichtsdestotrotz hinterließ diese Enthüllungs-Reportage einen mehr als zwiespältigen Eindruck. Wenn die Autoren schon herausstellten, daß die offiziellen Begründungen („Hygiene“ und „Schutz der Urlauber“) für diese drastischen Praktiken wenig stichhaltig waren, warum unternahmen sie dann nicht einmal den Versuch, einen Behördenvertreter zu einer Stellungnahme vor die Kamera zu bekommen? Des weiteren läßt sich der Stierkampf sicherlich als blutiges Spektakel anprangern, aber von ihm eine direkte Linie zur systematischen Vernichtung von Tieren zu ziehen, ist denn doch eine reichlich kühne Simplifizierung. (Da sehe „man doch deutlich, welches Verhältnis die Menschen dort zu Tieren hätten“, bemerkten die Autoren dazu anläßlich der Pressevorführung.)

Derlei Kurzschlüsse einer wohlmeinenden Betroffenheit lassen sich auch durch eine Ansagerin nicht auffangen, die mit dem Hinweis auf die Praxis von Massentierhaltungen und Tierseuchen vor allzuschnellen Verurteilungen warnt. Solche Differenzierungen hätten unbedingt in den Film gehört. Reinhard Lüke