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Ein Runder Tisch statt eines Sperrbezirks

■ Tiergartener AnwohnerInnen, Stadträte und Selbsthilfegruppen beraten über die Gestaltung des Bezirks/ Noch immer erregen Prostituierte den Unmut der Bevölkerung/ Verstärkte Polizei-Präsenz vor den Schulen und KiTas/ Sichere Wege gefordert

Tiergarten. Es brodelt immer noch in Tiergarten Süd. Autolärm, Drogenmißbrauch [Gibt's da einen Unterschied? d. säzzer] und Prostitution hatten Anfang des Jahres die Forderung nach dem Sperrbezirk herbeigeführt. Die Forderung ist inzwischen vom Tisch. AnwohnerInnen, Stadträte und Vertreter von Selbsthilfegruppen werden statt dessen selbst aktiv, um den Bezirk freundlicher zu gestalten. Rund 40 politisch Verantwortliche und Interessierte kamen am Dienstag abend zum ersten von fünf geplanten »Runden Tischen«. Dort sollen nun mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lage diskutiert und in Gang gesetzt werden. Einigen Bewohnern des Bezirks reicht dieses Vorgehen allerdings nicht aus: Der Ruf nach dem Sperrbezirk wurde auch vorgestern wieder laut. »Die Nutten müssen doch wohl so intelligent sein, sich nicht mitten in ein Wohngebiet zu stellen und uns auf den Geist zu gehen«, erregte sich eine Anwohnerin, die dann auch gleich forderte, die Prostituierten mögen doch bitte auch für die notwendige Straßenreinigung selber aufkommen. »Oder soll das auch noch der Steuerzahler zahlen?« Monika Hofmann von Hydra, Selbsthilfeorganisation der Prostituierten, wurde ob dieser Äußerungen immer blasser und sah sich nach der Veranstaltung außerstande, gegenüber der taz einen Kommentar abzugeben: »Soll ich dir jetzt ins Mikro kotzen oder was?«

Doch auch moderatere Töne waren am ersten Runden Tisch zu vernehmen. Auf der Tagesordnung standen vor allem Möglichkeiten, die Schulwege der Kinder sicherer und den Bezirk sauberer und heller zu gestalten. Elternvertreterin Pico Woelky berichtete, man habe sich bereits um eine verstärkte Polizeipräsenz vor Schulen und KiTas bemüht, seitdem seien die meisten Eltern beruhigter.

Konstruktive Vorschläge machte auch ein Anwohnerin. So könnte man den Magdeburger Platz stärker beleuchten und das Gebüsch lichten, um den Platz übersichtlicher zu gestalten. Eine andere versprach, Kontakt mit der BSR aufzunehmen und sich um eine verstärkte Straßenreinigung zu bemühen. Zu einer anwohnerfreundlicheren Ausgestaltung gehöre nach Ansicht aller Beteiligten insbesondere die Verkehrsberuhigung. Die Kluckstraße soll zwar zur Sackgasse werden, aber, so Baustadtrat Horst Porath, »wohl erst in zwei bis drei Jahren, wenn die Baustellen weg sind«. Angeregt wurden »Anlieger frei«-Zonen und Straßensperren, für die dann nur die AnwohnerInnen einen Schlüssel erhalten sollten. Ferner wurden Platz- und Parkwarte sowie eine organisierte Schulwegbegleitung gefordert. Unterschiedlich zufrieden mit einer in weiten Teilen sehr emotionsgeladenen Diskussion gingen die Tiergartener nach zweieinhalb Stunden nach Hause. Der nächste Runde Tisch wird im September tagen. Jeannette Goddar

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