Heute abend: Abschied von der Silbertolle

Schirmherrn-Wechsel: Hanns Joachim Friedrichs moderiert zum letzten Mal die „Tagesthemen“ in der ARD/ Der neue Anchorman Ulrich Wickert will nichts Wesentliches an der Sendungskonzeption ändern  ■ Von Ute Thon

Berlin (taz) — Götterdämmerung im ARD-Olymp. Wenn heute abend um kurz vor elf die Wetterkarte ins Tagesthemen-Bild klappt, wird selbst die Aussicht auf herrlichsten Sonnenschein ein Millionenpublikum nicht glücklich stimmen. Denn mit der typischen Schlußpointe vor dem „Wetter von morgen“ verabschiedet sich Deutschlands beliebtester TV- Moderator vom Bildschirmhimmel. Sechs Jahre lang hat Hanns Joachim Friedrichs dem ARD-Nachrichtenmagazin mit hintergründig-spitzen Moderationen seinen Stempel aufgedrückt. 40 Jahre Funk- und Fernseherfahrung haben seinen journalistischen Stil geprägt, den er im taz-Gespräch so charakterisierte: „Alles ein bißchen kleiner kochen“ und „das Absurde im Leben und speziell in der Politik“ ironisch angehen. Kritiker von ,Bild‘ bis ,Spiegel‘ zollten dem „Denkmal des politischen Moderators“ dafür so viel Respekt, das es fast schon verdächtig wirkt.

Doch was anderen Medienstars zu Kopfe steigt, stellt Friedrichs einfach weg. Vergeblich sucht man in seiner Hamburger Wohnung nach den Vorzeigetrophäen einer erfolgreichen TV-Karriere. Die Bambis, Goldenen Kameras und Grimme- Preise fristen ein Schattendasein in der Fensternische neben dem Klo. Auf den Starkult angesprochen, wiegelt der Moderator mit dem Faible für's amerikanische Newsbusiness gern ab: „Unser Berufsstand wird viel zu wichtig genommen.“ Sein Handwerk lernte der heute 64jährige Friedrichs 1950 bei der britischen BBC. Weitere berufliche Stationen waren der WDR und das ZDF. Für den Mainzer Sender war er als Korrespondent in den USA und Vietnam. Als er 1973 ins Aktuelle Sportstudio des ZDF wechselte, bewerteten viele „politische“ Kollegen das als Karriereknick. Friedrichs selbst empfand sein sportives Intermezzo als Herausforderung. 1985 warb die ARD ihn aus dem New Yorker ZDF- Studio für die Tagesthemen ab.

„Ich habe keine unerfüllten Träume mehr“, kommentierte Friedrichs gegenüber der taz seine Zukunftspläne. Doch Golf-spielen und Jazz-Hören allein scheinen ihm als Ruhestandsbeschäftigung auch wieder zu eintönig. Um drohenden Entzugserscheinungen vorzubeugen, hat er sich beizeiten nach einer netten Nebenbeschäftigung umgesehen. Ab nächstem Jahr wird er im ZDF eine kulturhistorische TV- Reihe moderieren.

Während der Grand Seigneur der Nachrichtenbranche so seinen sanften Abgang vorbereitet, läuft sich auf den Fluren der Tagesthemenredaktion im NDR-Studio in Lokstedt schon sein Nachfolger warm. Ulrich Wickert ist „Hajo“ Friedrichs Wunschkandidat, denn er ist einer, „der sein Handwerk versteht“. Als langjähriger Korrespondent in New York und zuletzt in Paris gehört der 48jährige zur eher links orientierten Riege der ARD-Auslandsmannschaft. Die beiden sind Duzfreunde und liegen auch politisch auf der gleichen Wellenlänge. Trotz SPD-Parteibuch wenden sie sich entschieden gegen Gefälligkeitsjournalismus und Parteienfilz. Jedoch auch Wickerts Plazierung auf dem ARD-Modratoren-Stuhl erfolgte streng nach dem parteipolitischen Ausgewogenheitsprinzip öffentlich-rechtlicher Sender. Als Pendant zur konservativen Sabine Christiansen (CDU), deren zementiertes Tagesthemen-Lächeln dem Publikum weiter erhalten bleibt, suchte die ARD einen „eher progressiven“ Kopf.

Mit Wickerts Einstieg ins Hamburger Nachrichtenstudio wechseln auch die Köpfe in der ARD-Chefredaktion. Henning Röhl und Heiko Engelkes verlassen zum 1. August die Brücke des Nachrichtendampfers und übergeben dem Presseclub- erprobten Gerhard Fuchs und dem ehemaligen WDR- Wahlberichterstatter Ulrich Deppendorf das Ruder. In der Zusammenarbeit mit den beiden sieht der neue „Monsieur Tagesthemen“ kein Problem. Sein Vorgänger focht mit dem Barschel- Freund Röhl harte Kämpfe aus. Der „journalistische Kleindarsteller“ (O-Ton Friedrichs) beleidigte den erfahrenen Moderator in seiner „Handwerkerehre“. Wickert, der ab kommenden Montag auf Friedrichs Moderatorenstuhl sitzt, will an der „besten Nachrichtensendung Europas“ (Alfred Grosser) erst mal nichts Wesentliches ändern. „Ein bißchen Kosmetik“ — aber eigentlich sei das Konzept toll. Lampenfieber vor seinem ersten Auftritt verspürt er nicht. „Der größte Unterschied wird sein, daß da eine andere Figur sitzt; einer, der nicht weißhaarig ist, sondern eher dunkel“, meint Wickert zu den bevorstehenden Änderungen.