Zwischen Mafia, Cosa Nostra und Donald Duck

Die „Teamsters“, größte und korrupteste US-Gewerkschaft, werden zwangsreformiert/ Demokratisierungsdeal mit der Regierung statt „Teufelspakt“ mit der Mafia/ Die neuen Spitzenkandidaten der Trucker-Gewerkschaft sind Wendehälse  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Früher pflegten die „Teamsters“ ihre Gewerkschaftskongresse in Pomp-Hotels wie dem „Caesars Palace“ in Las Vegas abzuhalten — und Ex-Teamsters-Boß Jackie Presser, mit dreihundert Pfund Lebendgewicht eine durchaus beeindruckende Erscheinung, präsentierte sich zur Eröffnung in einer von vier römischen Zenturionen getragenen goldenen Sänfte. Die Zeiten sind vorbei: Amerikas mächtige Trucker- Gewerkschaft, wie keine zweite in Mafia-und Korruptionsskandale verwickelt, übt sich neuerdings in Rechtschaffenheit — und das vor einer unverfänglicheren Kulisse. Im „Magic Kingdom“-Hotel in der Disney-World-Stadt Orlando in Florida praktizierten zwischen Mickey Mouse und Donald Duck 1.900 Delegierte zum ersten Mal in ihrer 89jährigen Geschichte ansatzweise interne Demokratie und Redefreiheit— allerdings im teamsterüblichen Umgangston. Als „Söhne einer räudigen Hündin“ titulierte gleich zu Beginn ein Redner die Pressevertreter, die zu diesem denkwürdigen Gewerkschaftskongreß nach Orlando gekommen waren. Und die über Video ausgestrahlte Begrüßungsansprache Präsident Bushs an die mit 1,5 Millionen Mitgliedern immer noch mächtigste Gewerkschaft des Landes ging in einem wütenden Pfeifkonzert unter. Denn auf neugierige Beobachter und Vertreter des Staates waren die Mitglieder der „International Brotherhood of Teamsters“ nicht allzu gut zu sprechen. Waren es doch rund siebzig Kontrolleure der Bundesbehörden und nicht etwa die Gewerkschaftsbasis, die auf dem fünftägigen Kongreß für die Verwandlung der korruptesten in eine der demokratischsten Gewerkschaften Amerikas sorgen wollten.

Diese Reform von oben ist das Ergebnis eines gerichtlichen Vergleichs in einem Betrugsverfahren aus dem Jahre 1989, als die Staatsanwaltschaft behauptete, ein „Teufelspakt“ der Gewerkschaftsführung mit der Cosa Nostra habe die Teamsters in eine regelrechte Tochterfirma der „Ehrenwerten Gesellschaft“ verwandelt.

Die Beziehungen zwischen den Teamsters — die früher mit den Lastwagenfahrern das gesamte Highway-Netz (und mehr) kontrollierten— und der Mafia sind Legende. Drei der letzten fünf Teamsters-Präsidenten landeten im Knast. Einer von ihnen verschwand 1975 spurlos, als er sich nach langer Tolerierung plötzlich der Kontrolle des Mobs widersetzte. Gewerkschaftsämter wurden bisher nicht an der Wahlurne, sondern in rauchgefüllten Hinterzimmern vergeben.

Um ihre eigenen Hälse zu retten, einen kostspieligen Prozeß und die drohende Auflösung der Teamsters zu verhindern, stimmten die Gewerkschaftsführer vor zwei Jahren einer Reihe von Reformen zu. Seitdem haben vom Gericht ernannte staatliche Aufseher jeden Schritt und Tritt der Teamsters verfolgt; bis zu diesem Gewerkschaftskongreß in Orlando, wo sie auf Kosten der Gewerkschaft ihr Büro im Konferenzhotel einquartierten.

Viele der erstmalig gewählten Delegierten fluchten zwar lautstark über die staatlichen Eingriffe, mußten aber gleichzeitig zugeben, daß sie allein dieser Tatsache ihr neues Mitspracherecht bei der Kandidatennominierung für den Teamsters-Vorsitz verdankten.

Aus der Liste aller Kandidaten, die in Orlanda mehr als fünf Prozent der Delegiertenstimmen auf sich vereinigen können, sollen im Dezember der Teamsters-Boss und seine siebzehn Vize-Präsidenten erstmalig in freien und geheimen Wahlen gewählt werden. Auch die oft obszönen Doppel- und Dreifachgehälter der Gewerkschaftsführer wurden jetzt in Orlando beschnitten.

Doch trotz dieser vorbildlichen Reformschritte bereitet den Teamsters das Abstreifen ihrer unrühmlichen Vergangenheit noch immer Schwierigkeiten. Denn die führenden Kandidaten haben zur alten Teamsters-Garde ein Verhältnis wie Egon Krenz zur SED. Selbst der Außenseiter und glaubwürdigste Reformer soll als Präsident seiner New Yorker Betriebsgruppe der Infiltration derselben durch die Mafia tatenlos zugeschaut haben.