Nicht mehr wasserdicht

■ Seit einem Jahr in gekündigten Wohnungen: Der Zahn der Zeit nagt am Künstler-Domizil Feldstraße 13

Die grünroten Wohnhäuser der KünstlerInnenkolonie in der Feldstraße 13/15/17 umschwebt ein besonderes Ambiente: Im kopfsteingepflasterten Innenhof wuchert und blüht Gebüsch und Kraut, Vogelgezwitscher dringt durch die offenstehenden Türen. Die Idylle beherbergt 15 Erwachsene, vier Kinder und einen schrecklichen Hund. Da gibt es einen Komponisten, einen Gitarristen, einen Klavierspieler, eine Tänzerin, eine Kostümbildnerin, einen Möbelbauer, Bildhauer, Maler und einen Bergsteiger. Außer den künstlerischen Ambitionen verbindet sie eine weitere Gemeinsamkeit: Seit dem Sommer letzten Jahres leben sie in gekündigten Mietverhältnissen.

Zur Erinnerung: Im Frühjahr vor zwei Jahren verkaufte der Vorbesitzer die Häuser für den stattlichen Preis von 1,3 Millionen Mark an die Hanseatische Kapitalvermittlungsgesellschaft (HKV), Schwachhauser Heerstraße 53. Die Firma hatte erfolgversprechende Pläne: die vordere Straßenfront sollte abgerissen werden und einem Neubau mit Luxusappartements weichen. Die hinteren Häuser sollten zu Luxuswohnungen saniert werden.

Die BewohnerInnen erhielten Kündigungsschreiben. Auszugstermin: Juni 90. Anstatt auszuziehen, verpackten die Wohn- und Lebens-KünstlerInnen den ganzen Komplex in schwarze Folie und feierten ein Solidaritätsfest. Eine Unterschriftensammlung ging an den Petitionsausschuß, woraufhin der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Dieter Klink, mit einer Reihe von Bürgerschaftsabgeordneten vor Ort zur Besichtigung anrückte.

Die hinterließ bleibenden Eindruck: Im Januar vom Beirat Östliche Vorstadt abgesegnet, verabschiedete die Bremische Bürgerschaft im Mai diesen Jahres das Ortsgesetz zur Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart des Gebietes zwischen Am Dobben, Dobbenweg, Bismarckstraße, Fesenfeld und Humboldtstraße. Klartext: Die HKV darf nicht mehr abreißen.

Das ist ärgerlich für die HKV. Sie kann nun nicht mehr so, wie sie ursprünglich wollte, und hat bereits Geld in die architektonische Planung gesteckt. Volker Boelsen, der Geschäftsführer der HKV, drohte sogleich damit, die Stadt auf Schadensersatz zu verklagen. Das ist bis jetzt nicht passiert. Mit gutem Grund, mutmaßt Ortsamtsleiter Hucky Heck: „Die Rechtslage ist nicht eindeutig. Und ein Verfahren, daß sich vielleicht über Jahre hinzieht, macht die Sache für die HKV erstmal nur noch teurer.“

Die MieterInnen sind jedenfalls erst einmal die Abrißbedrohung los. „Aber so wie es jetzt ist, wird es auf keine Fall bleiben, so viel ist klar“, sagt die Kostümbildnerin. Denn wer kauft, muß sanieren. Die Heizung ist marode, die Fenster müssen erneuert werden, in einige Wohnungen regnet es bereits rein. Am liebsten würden die BewohnerInnen natürlich selbst kaufen, aber die überhöhte Forderung von inzwischen 1,7 Millionen können sie beim besten Willen nicht aufbringen. Da müßte schon die Stadt ein bißchen zuzahlen.

Im Moment herrscht allgemeine Funkstille. Vielleicht nicht ganz ungewollt, vermutet die Tänzerin. Denn irgendwann erledigt sich das Problem für die HKV von selbst: Dann nämlich, wenn die Gebäude, vom Zahn der Zeit zernagt, so baufällig werden, daß sie abgerissen werden müssen. bear