Vereinigung auf evangelisch

■ Die Coburger Synode der EKD verliert die Erinnerung

Vereinigung auf evangelisch Die Coburger Synode der EKD verliert die Erinnerung

Na endlich: Auch die Evangelische Kirche Deutschlands ist wiedervereinigt. „Nach 22jähriger Trennung“, so verlautetete auf der Coburger Einheitssynode, „wurde der Zusammenschluß nun endgültig besiegelt.“ Unter bischöflicher Anleitung besiegelten die Synodalen vor allem das große Schweigen. Wie schon auf dem Kirchentag versuchten sie den schrägen Mythos von der „Friedlichen Herbst-Revolution“ und der besonderen moralischen Rolle des ostdeutschen Protestantismus festzuklopfen. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, mit dem eigenen Opportunismus fehlte: Die Evangelische Kirche der DDR war nicht die Solidarność „auf deutsch“.

Es ist richtig, aber auch nicht richtig, wenn nun im nachhinein einfach von einer Teilung gesprochen wird, die „Walter Ulbricht erzwungen“ habe. Jahrelang hat die Evangelische Kirche der DDR am Konzept Kirche im Sozialismus mitgebastelt, radikale Kritiker des Sozialismus geschnitten und sich letztlich am breiten Rand der entwickelten sozialistischen Gesellschaft gemütlich eingerichtet. Oberste Repräsentanten dieses Konzepts — allen voran Bischof Gottfried Forck — wurden zu den einflußreichsten Repräsentanten dieser Kirche. Sie und viele andere Kirchenobere überdauerten die Wende als die scheinrevolutionären Wendehälse der ersten Stunde.

Auf der „Wiedervereinigungssynode“ hätte es genügend Stoff zum Nachdenken für die deutschen Protestanten gegeben. Da wäre der staatstragende Pragmatismus mit dem die Kirche jahrelang versuchte, die radikale Systemopposition in harmlose Reform- und Dritte-Weg-Konzepte umzumodeln. Da wäre der Versuch, den „Bauernfresser“ Martin Luther ins „Nationale Erbe“ der DDR zu integrieren. Wenn überhaupt, beschränkte sich die Selbstkritik auf die Praxis des Gefangenenfreikaufs.

Von der Fähigkeit der Protestanten, sich radikal in Frage zu stellen, wie sie beispielsweise in der Schulderklärung der Evangelischen Kirche 1946 zum Ausdruck kam, war auf dieser Synode nichts zu spüren. Die Situation heute ist nicht vergleichbar, aber Halbwahrheiten, Täuschungen und Selbsttäuschungen zerstören die Möglichkeiten des Neuanfangs. Kontinuität wurde beschworen, wo Diskontinuität zu fordern wäre. Die Anhänger des Dritten Wegs in Ost und West beweihräucherten sich in Coburg mit der „Friedlichen Revolution“. Damit erstickten sie die heute in Ost und West einzig wichtige und eben schmerzliche Frage: Warum hast du unterstützt? Götz Aly