Typisch preußischer Kunstbesitz

■ Berlin will eine geflügelte Sphinx nicht an die Türkei zurück geben

Eine geflügelte Sphinx aus der antiken hethitischen Hauptstadt Hattuscha sorgt für neuen Streit zwischen türkischen Behörden und Ostberliner Museen. Während die vom Bürgermeister von Bergama gestartete Kampagne um den Pergamon-Altar andauert, verlangt nun das türkische Kulturministerium auch das im Vorderasiatischen Museum stehende Kunstwerk aus Hattuscha, dem heutigen Bogazköy, zurück.

„Die Sphinx gehört eindeutig der Türkei, denn außer in Bogazköy ist so ein Werk nirgendwo zu finden“, sagt der Generaldirektor für Denkmäler und Museen des türkischen Kulturministeriums, Mehmet Akif Isik. Nach seinen Erkenntnissen haben deutsche Archäologen zwischen 1906 und 1912 im mittelanatolischen Ort Bogazköy neben einem Sphinx-Paar, das vom südlichen Stadttor der hethitischen Hauptstadt Hattuscha stammte, auch etwa 10.000 Keilschrifttafeln ausgegraben.

1917 wurden alle Funde zwecks Restaurierung und Säuberung nach Berlin gebracht. In den folgenden anderthalb Jahrzehnten wurden eine der beiden Sphingen und etwa 3.000 Keilschrifttafeln an die Türkei zurückgegeben. Über die Rückgabe der restlichen Tafeln seien dann 1987 im Rahmen eines Archäologiekongresses Verhandlungen mit Vertretern der Wissenschaftsakademie der DDR aufgenommen worden, worauf im gleichen Jahr alle Keilschrifttafeln in die Türkei zurückkehrten, berichtet Isik.

Im März 1990 trafen sich erneut Vertreter des DDR- Kulturministeriums mit ihren türkischen Kollegen zu Verhandlungen über die Rückgabe der verbliebenen zweiten Sphinx. Doch dann kam die Vereinigung Deutschlands dazwischen. Nach der Auflösung der DDR wandten die Türken sich nun Anfang dieses Jahres an das Bundesaußenministerium in Bonn.

„Wir haben schriftliche Unterlagen darüber, daß die Sphinx damals zu Reparaturzwecken nach Deutschland gebracht wurde“, sagt Mehmet Akif Isik. „Sonst hätten wir auch die Keilschrifttafeln nicht zurückbekommen“. Die Direktorin des Vorderasiatischen Museums, Liana Jakob-Rost, die auch an den Verhandlungen vor einem Jahr teilnahm, zweifelt dagegen an der Existenz dieser Unterlagen. „Wir haben sie nie zu Gesicht bekommen“, sagt sie. „Wenn es Beweise gäbe, hätten sie sie uns schon längst gezeigt.“

Vielmehr geht sie davon aus, daß die Sphinx damals im Rahmen einer Teilung zwischen beiden Regierungen in Berlin geblieben ist. Denn die deutsche Seite habe die Ausgrabungen finanziert, und die Teilung der Funde sei damals üblich gewesen. Außerdem sei das Museum im Besitz von Abschriften zweier unparaphierter Urkunden vom November 1899, wonach die damalige türkische Regierung den deutschen Ausgräbern „die Hälfte der Antiquitäten, die sie bei genehmigten Forschungen entdecken“ überlassen haben soll. „Ich bin überzeugt davon, daß die Originale in den türkischen Archiven zu finden sind“, betont Jakob-Rost.

Für den Generaldirektor der staatlichen Museen, Günter Schade, handelt es sich hier um eine „ungeklärte rechtliche Frage“. Zwar gingen die Berliner Museen davon aus, daß die Sphinx der Berliner Sammlung gehöre und nicht türkisches Eigentum sei. Dennoch sollten die Verhandlungen weitergeführt werden, um „endgültige Klarheit über die Besitzverhältnisse zu schaffen“. „Solange die Türkei nicht den Beweis antreten kann, daß die Sphinx ihr gehört, wird sie in Berlin bleiben“, erklärt Schade.

Die Rückgabeforderungen von Kunstgegenständen werden seit Jahren weltweit diskutiert. Die Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) nahm in diesem Zusammenhang im November 1970 eine Konvention an, um den illegalen Import, Export und Besitztransfer von Kulturgütern zu verhindern. Doch Deutschland hat diese inzwischen von 69 Ländern akzeptierte Konvention bis heute nicht unterzeichnet.

„Die Bundesrepublik kann auf Grund ihrer Rechtssituation und Gesetze diese Konvention nicht unterzeichnen“, erklärt der Kulturreferent der Deutschen Unesco- Kommission in Bonn, Hans-Dieter Dyroff. Sie sei aber „vom Geiste her in vielfältiger Weise bemüht, die Konvention mit einzuhalten“. Deutschland verfolge für seine Museen eine Einkaufspolitik, „die es nicht möglich macht, gestohlene Objekte für Sammlungen anzukaufen“. Außerdem sei die Bundesrepublik regelmäßig im 1978 gegründeten Rückführungskomitee der Unesco vertreten, das Forderungen bespricht, und habe gerade bei der Schaffung der Grundlagen für die Rückgabe von Kulturgütern aktiv mitgearbeitet.

Ayhan Bakirdögen/ap