Für die Zusammenlegung der politischen Gefangenen!

■ Knastcamp in Aichach vom 5. bis 7. Juli 1991

Vom 5., 6. und 7. Juli 1991 machen wir, Menschen aus den unterschiedlichsten Initiativen und verschiedensten bayerischen Städten, ein Camp bei Aichach. Von dort aus wollen wir zum Knast gehen, in der Aichacher Innenstadt mit Büchertisch und Kultur präsent sein, und wenn es klappt, ein Konzert vor dem Knast machen.

Entstanden ist die Idee im Zusammenhang mit der Vorstellung der Angehörigen der politischen Gefangenen, bundesweit Wanderkundgebungen vor den Knästen anzupacken und damit in Aichach zu beginnen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und überlegt, was wir selbst für die Zusammenlegung der Gefangenen machen wollen und können.

Eines der wesentlichen Instrumente zur Aufrechterhaltung von Herrschaft ist die Isolation der Beherrschten untereinander, als Einzelne, als Gruppen, als Angehörige von „Minderheiten“, als Subjekte sozialer Bedürfnisse und politischen Handelns. Ihren brutalsten Ausdruck findet sie — zum Prinzip erhoben — in den Gefängnissen. Knastalltag, das heißt: Kaum oder gar kein Kontakt nach außen, totale oder weitestgehende Kontrolle jedes geschriebenen und gesprochenen Wortes, jeder Lebensäußerung. Wer sich dieser „Normalität“ widersetzt, wird bestraft: durch Bunker, Einkaufssperre, Streichen von Umschluß und Hofgang, Verlegung in andere Knäste und so weiter.

Die politischen Gefangenen werden in besonderer Weise behandelt, was für die anderen zur Disziplinierung dient, ist bei ihnen Alltag. Sie leben in einem Geiselstatus wegen ihres politischen Kampfes, den sie geführt haben und führen. Angebliche Funde von Kassibern werden bei Bedarf medienwirksam aufbereitet, um die Isolation zu verschärfen. So droht die SPD-Regierung in NRW, die vier Frauen aus der RAF in Köln- Ossendorf wieder auseinanderzureißen.

Es geht den Herrschenden darum, die Gefangenen und damit die Vorstellung der Umwälzung der Verhältnisse hin zu einer menschenwürdigen Gesellschaft völlig zu isolieren. Keiner soll mehr wagen, auch nur daran zu denken, gegen ihren Machtapparat anzukommen und für ein Leben ohne Ausbeutung, Konkurrenz und Profitgier zu kämpfen. Eines ihrer wichtigsten Instrumente hier in den Metropolen (dafür) ist Isolation und Spaltung der Beherrschten untereinander. Die Isolierung der Gefangenen von uns und voneinander, die Spaltung von uns und den hier lebenden ausländischen Menschen...

Aichach hat — wie viele andere alte und neue JVAs — eine lange Geschichte, die unter anderem gerade in der Nazi-Zeit für Gefangene aus dem antifaschistischen Widerstand seine Tradition hatte. Das ehemalige Kloster ist bei vielen der damals gefangenen Frauen in berüchtigter Erinnerung geblieben. Außerdem ist das der Ort, wo das Frauenideal des Anstaltschefs und seiner Untergebenen verwirklicht werden soll: Liebe zur Hausarbeit, Handarbeit, Topfpflanzen, Nettigkeit, Willigkeit, Bedürfnislosigkeit. Die Frauen, bei denen die Erziehung zu fraulicher Ordnung gefruchtet hat, werden samt ihren Zellen bei Führungen vorgezeigt und wohlwollend als „unsere Frauen“ vorgeführt, damit die Gäste auch sehen, wie wohl sich alle da drin fühlen. Wer nicht mitmacht, wird als „keine richtige Frau“ diffamiert.

In dieser luftabschnürenden Hölle sitzen drei politische Gefangene, strikt voneinander getrennt: Brigitte Mohnhaupt, Manuela Happe und Claudia Wannersdorfer.

Brigitte Mohnhaupt, Gefangene aus der RAF, sitzt dort mit Unterbrechungen seit neun Jahren. Sie ist in letzter Zeit einer besonderen Hetze ausgesetzt. Bei Zellenrazzien beschlagnahmte Post, allesamt durch die Zensur dorthin gekommen, soll die These von der „Zellensteuerung“ und vom „illegalen Infosystem“ belegen. Kürzlich wurde ihr Knastkonto beschlagnahmt, um die Prozeßkosten von 109.000 DM zu decken, das heißt keinen Einkauf von Körperpflegemitteln oder Briefpapier.

Manuela Happe, Gefangene aus der RAF, sitzt dort sei mehreren Jahren.

Claudia Wannersdorfer, Gefangene aus dem Widerstand, sitzt dort seit 1987. Sie ist seit über vier Jahren an Epilepsie erkrankt. Sie hat sich schon mehrmals bei ihren Anfällen verletzt und lag stundenlang in ihrer Zelle, bis sie gefunden wurde. Obwohl eindeutig festgestellt wurde, daß ihre Krankheit auf die Haftbedingungen zurückzuführen ist, bleibt sie weiterhin von den anderen isoliert. Lediglich auf den Hof darf sie für eine Stunde täglich zusammen mit Manu.

Wir gehen nach Aichach

—weil wir die Forderungen unserer gefangenen GenossInnen nach Zusammenlegung in großen Gruppen und Freilassung der haftunfähigen Gefangenen unterstützen,

—weil wir informieren wollen über die Zustände in den Gefängnissen, speziell über die Situation der politischen Gefangenen und speziell über die Funktion des Frauenknastes Aichach,

—weil wir die Forderung nach freier Kommunikation zwischen drinnen und draußen und zwischen den Gefangenen untereinander unterstützen,

—weil wir die Angehörigen der politischen Gefangenen bei ihrer Informationskundgebung unterstützen wollen,

—weil wir die Initiative für die politische Diskussion zusammen mit den Gefangenen unterstützen wollen,

—weil wir Zeit haben wollen, miteinander zu reden, unsere Ideen auszutauschen, neue Perspektiven zu entwickeln.

Wir denken, daß auf dem Camp für all das genug Zeit und Raum sein wird. Wir werden in der Stadt und vor dem Knast präsent sein können und endlich die Zeit füreinander und miteinander haben, die immer fehlt, wenn wir uns nur mal schnell bei einer Demo oder Veranstaltung oder einem Vorbereitungstreffen sehen.

Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen!

Kommunikation statt Isolation!

Für die Zusammenlegung der Gefangenen, die dafür kämpfen!

Freilassung der Haftunfähigen — Günter, Bernd, Claudia, Ali!

Ablauf: Freitag, 5.7. Anreise, ab 15 Uhr Büchertisch am Marktplatz, abends Volxküche

Samstag, 6.7. ab 9 Uhr Büchertisch am Marktplatz, ab 11 Uhr Informationskundgebung der Angehörigen, ab 14 Uhr Demo vom Marktplatz zum Knast, 19 Uhr Diskussionsveranstaltung mit Video

Sonntag, 7.7. nachmittags Konzert, Abreise.

Für kraftvolle Tage in Aichach! Kommt massenhaft! Bringt Ideen und Neugierde für die Ideen der anderen mit! Weitere Infos bei: AK Knast

c/o GNN-Verlag, Holzstraße 2,

8000 München 5, Telefon 089-260 3840;

Infobüro Nürnberg c/0 Bücherkiste, Schlehengasse 6, 8500 Nürnberg 1, Telefon 0911-226 598 (Fr: 17 bis 19Uhr)