1.800 Mark für Rathausbesetzung

■ Mammutprozeß nach über vier Monaten zu Ende / Richter wirft Anwalt „Rechtsverhinderung“ vor

Nach über vier Monaten endete gestern am 15. Verhandlungstag vor dem Bremer Amtsgericht der Prozeß gegen den Rathausbesetzer Jacob N.: Wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs, Widerstandes gegen die Staatsgewalt und gefährlicher Körperverletzung verhängte Amtsrichter Klaus Richter eine Geldstrafe von 1.800 Mark.

Das Urteil liegt deutlich über dem Strafbefehl von 1.200 Mark, gegen den N. Einspruch eingelegt und damit den Verhandlungsmarathon ausgelöst hatte. Sowohl Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach als auch Verteidiger Eberhard Schultz behielten sich gestern Berufung oder Revision vor.

An den vielen Verhandlungstagen hatten sich Richter, Anwalt und Staatsanwalt mit zunehmender Heftigkeit attakiert. Allein fünf Befangenheitsanträge stellte Rechtsanwalt Schultz im Verlauf des Prozeßes, drei davon gegen den Richter. Klaus Richter nutzte deshalb seine Urteilsbegründung gestern noch einmal für eine Gesamtabrechnung mit dem Rechtsanwalt.

Der habe sich „als Organ der Rechtsverhinderungspflege“ profiliert, seinen Mandanten als „juristisches Objekt mißbraucht“ und mit seiner Kritik an der Richterschen Verhandlungsführung „oft tief unter der Gürtellinie“ angesetzt. Dadurch sei der Prozeß völlig unangemessen in die Länge gezogen und „bis zur Unkenntlichkeit aufgebläht worden“, meinte Richter.

Der Richter sah als erwiesen an, daß N. sich des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruches mit der Besetzung des Bremer Rathauses nach einer Demonstration für die Zusammenlegung der RAF-Häftlinge am 15.4.1989 schuldig gemacht habe. Außerdem habe sich N. auch an diversen Widerstandshandlungen beteiligt, als Beamte des SEK mit der Räumung des Rathauses begonnen hätten. Der umstrittenste Punkt der Anklage, ob nämlich der Angeklagte eine Schraubzwinge auf Polizeibeamte geworfen habe, wertete der Richter trotz umstrittener Beweislage als gefährliche Körperverletzung.

Der Angeklagte selbst wertete in seinem Schlußwort den Prozeß als „Kriminalisierungsstrategie des Staates“. Er selbst nehme seine Auffassungen ernster als die Strafe des Gerichtes, dessen Urteil ohnehin schon vor dem Prozeß festgestanden habe. Amtsrichter Klaus Richter widersprach dem Vorwurf eines politischen Verfahrens. Mit der Geldstrafe von 1.800 Mark blieb er deutlich unterhalb seiner Drohung, den Angeklagten für sechs Monate in den Knast zu schicken. Markus Daschner