Schwammberger ist verhandlungsfähig

■ Der mutmaßliche NS-Verbrecher berichtet von Erschießungen, bestreitet aber seine Teilnahme daran

Stuttgart (dpa) — Der wegen Mordes und der Beihilfe zum Mord an mehreren tausend Juden angeklagte frühere SS-Oberscharführer Josef Schwammberger hat am Freitag vor dem Landgericht Stuttgart über Erschießungen von Juden berichtet. Der ehemalige Lagerkommandant bestritt an diesem dritten Prozeßtag jedoch zugleich, aktiv daran teilgenommen zu haben. Vor der neunten Strafkammer berichtete der 79jährige über Erschießungen im Jahr 1943 in dem von ihm geleiteten Ghetto A des polnischen Arbeitslagers Przemysl. Er habe diese „Aktion“ in Przemysl miterlebt, könne sich jedoch an ihren Ablauf nicht mehr genau erinnern. Die Gestapo habe die Erschießungen geleitet.

Laut Anklage soll Schwammberger zwischen 1941 und 1944 als Kommandant von Arbeitslagern in Polen 45 Juden selbst getötet und Beihilfe zur Ermordung an weiteren 3.377 Menschen geleistet haben.

Auf die Frage, was er von Judentransporten in Vernichtungslager gewußt habe, sagte der Angeklagte: „Das war alles eine Sache der Gestapo. Ich habe nichts damit zu tun gehabt.“ Als die Kammer ihm drei verschiedene Protokolle der österreichischen Sicherheitspolizei aus dem Jahr 1945 vorhielt, wonach er die Erschießung von mehr als 30 Juden zugegeben habe, sagte Schwammberger: „Das ist ja unmöglich.“ Nachdem er damals festgenommen worden war, habe er teilweise die Unterschrift auf den ihm vorgelegten Protokollen verweigert. Zum Teil, so Schwammberger, habe er unter Druck und aus Sorge um seine Familie unterschrieben.

Zu Beginn des Prozeßtages erklärte ein medizinischer Sachverständiger, er zweifle nicht an der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten. Eine endgültige Beurteilung sei jedoch von weiteren Untersuchungen abhängig. Weiter sagte der Sachverständige, er sei sich nicht ganz sicher, ob bei dem 79jährigen eine beginnende Altersdemenz vorliegt. Schwammberger sei aber unter den gegenwärtigen Bedingungen, wie der verkürzten Verhandlungsdauer, in der Lage, seine Interessen vor Gericht wahrzunehmen.