Punk-Krieger

■ Rainald Goetz wird Böll und gut

Berlin (taz) — Da hat er nun jahrelang seine Kollegen beschimpft, Grass und Böll und Biedermann und den anderen deutschen Dumpfsinn, hat nach links und rechts alles beleidigt, was dem Feuilleton hoch und heilig war, aber es hat ihm überhaupt nichts genutzt. Spät im Leben, nach Medizin- und Geschichtsstudium, hat er sogar noch von Dichterjüngling auf Punk umgeschult und fand sich nur mehr von unartikulierten Speed-Metal- Rockern und allenfalls Thomas Bernhard verstanden. Den Heiligenschein als Berserker verschaffte ihm schließlich das Rasiermesser, mit dem er sich bei einer Lesung die Dichterstirn aufschlitzte. Wunschgemäß wurde Dr.Dr.Rainald Goetz, 37, damit zum Literaturbetriebsklatsch; daß seine Bücher, vor allem Irre und Kontrolliert, tatsächlich das Beste sind, was in den letzten Jahren zu lesen war, ließ sich dabei leicht übersehen. Das verhaßte Feuilleton aber schlug erbarmungslos zurück und nahm ihn einfach in den Arm. In Stuttgart führt heute der finstere Deutschmeister Johann Kresnik Goetz' Trilogie Krieg auf. Damit die Umarmung zum Würgegriff wird, bekommt er jetzt den Heinrich-Böll-Preis, weil Goetz mit „beispielloser Genauigkeit und Radikalität zentrale Fragen des Lebens in der modernen Gesellschaft“ behandle. Selten so gelacht. ww