Johnny und die Glasglocke

■ Serienmäßig Band-Portraits (4): „Johnny Panic“, Huchting, über Unwohlsein, immer fiesere Stücke und das Kotzen auf Video

taz:Johnny Panic ist ein hübscher Name. Wer von Euch ist das?

Axel:Gar keiner. Der Name stammt von der amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath. Die hat unter anderem Die Glasglocke geschrieben, ein tolles Buch mit ganz präzisen Visionen. Eine ihrer Kurzgeschichten heißt Johnny Panic and the bible of dreams. Darin geht es um eine Frau, die bei einem Psychiater arbeitet und die Aufzeichnungen von den Träumen der Patienten sammelt. Johnny Panic sind die Urängste der Leute, das was ganz tief in ihnen steckt. Das hat mich sehr beeindruckt. Du schaust Dir die Leute genau an, und wenn Du ein gewisses Gefühl für sie hast, dann kannst Du bei vielen diesen Johnny in ihnen erkennen.

Und was ist mit Eurem Johnny Panic?

Axel: Wir haben wenig positive Songs, eigentlich gar keine. Aber sie sind ehrlich, wir erfinden da keine komischen Geschichten.

Jens: „I wanna be alone in the rain, because that's where I feel safe“ ist so eine Textzeile. So habe ich mich wirklich gefühlt nach einer verletzten Romeo-Sache, du weißt schon, Streß mit der Freundin. Man schleppt die eigene Geschichte mit sich herum, wenn man solche Songs schreibt. Das ist ganz eigenartig, wenn Du nach einem Jahr immer noch etwas besingst, was schon lange her ist. Unsere Musik hat viel mit Entfremdung zu tun.

Auch mit Gesellschaftskritik?

Axel: Ach nee, politische Texte machen andere besser, das überlassen wir lieber Jello Biafra und solchen Leuten. Immer wieder „Nazis raus“ zu brüllen ist nicht unser Ding. Wir sehen die Welt in unseren Songs eher aus der Warte des Einzelnen. Ich hatte zum Beispiel mal 'ne Freundin, die ist schwanger geworden, allerdings nicht von mir, die war ziemlich schlecht drauf. Na ja, und dann hat sie sich umgebracht. Da haben wir dann „The sad Girl said“ draus gemacht. Diesen Song wollen wir übrigens auch bald als Video herausbringen.

Das geht bei Euch ja recht schnell. Erst eine Platte und gleich danach schon ein Filmchen mit Musik.

Jens:Das machen wir in erster Linie, um an einen Plattenvertrag heranzukommen. Das hat nichts mit den Video-Clip-Sendungen bei Tele 5 oder so zu tun. Die guckt ja sowieso keiner mehr. Das Video machen wir bei meinem Bruder bei Individeo L. Da ist dann auch unser legendärer Auftritt mit „Sad girl“ im Schlachthof drauf, als Axel so schlecht war. Mitten im Song mußte er auf die Bühne kotzen, hat einfach eine Zeile ausgelassen und dann weitergesungen. Das kommt in Zeitlupe. Ich bin dann auch noch darin ausgerutscht...

„Und dann bin ich auch noch darin ausgerutscht“ - Jens und Axel von „Johnny Panic“Foto: Beate Ramm

Lassen wir das Thema. Gerade wo's bei Euch richtig losgeht, steht ihr ohne Drummer da. Vertraut ihr Euch jetzt einem Computer an?

Axel:Auf keinen Fall. Tom, unser alter Schlagzeuger, hatte einfach keine Lust mehr auf Live-Musik. Er mischt nun lieber Demo-Bänder im Studio. Aber ein Neuer ist schon in Sicht. Wir benutzen den Sommer, um neue Songs zu erarbeiten, weil es gerade gut bei uns läuft. Ich schreibe recht schnell, alles wird jetzt etwas fieser als bisher.

Früher haben wir ja nur gecovert, die Ramones zum Beispiel. Im Herbst wollen wir mit dem neuen Material touren. Wir sind schon sechs Mal in Bremen aufgetreten, das reicht erst mal.

Also auch bei Euch die alte Leier, daß Bremen musikalische Provinz ist?

Jens: Ja und nein. Es wird besser. Nur die Auftrittsmöglichkeiten fehlen. Wo sollen wir spielen? Natürlich könnten wir einmal im

hierhin bitte

die zwei Jungens,

zueinander geneigt

Jahr im Römer auftreten, aber da müssen wir erst mal sechshundert Mark abdrücken. Wer will das schon, wenn dann nur fünfzig Leute kommen?

Axel: Das mit der Bremer Szene ist so eine Sache. Natürlich würden wir gern mit befreundeten Bands spielen, aber wo? Entweder Du hängst Dich an große Bands als support act, oder Du trittst im Lagerhaus oder in der Buchtstraße auf. Aber da kommt keiner. Die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Szenen in Bremen sind noch nicht groß, da ist vieles noch zu eigenbrötlerisch, vielleicht spielt da auch Konkurrenz mit. Das ist aber Mist. Ich sehe noch die Leute von anderen Bands, wie sie mit verschränkten Armen bei einem Gig von uns dastehen und uns abchecken. Wir kommen aus Huchting, das scheint ein gutes Pflaster für Bands zu sein. Die Dimple Minds kommen da auch her, das sind gute Kumpels von uns, Axel singt sogar auf deren neuen Platte einen

Song. Und dann gibt's da noch Damage Control, Acid Rain Dance, Sweethards. Wir machen jedenfalls weiter. Unsere Platte ist wie ein Lebenszeichen von uns, jetzt kommen neue Sachen. Du mußt immer was haben, keep on going, am Ball bleiben. Interview:Jürgen Francke