Der Flugblatt- folgte die Polizeiaktion

■ Weil er die Zusammenlegung RAF-Gefangener forderte, wurde K. zum Verdächtigen der Terrorszene

Nürnberg (taz) — Bei der Durchsuchung der Wohnung eines 49jährigen arbeitslosen Nachrichteningenieurs K. hat das Bayerische Landeskriminalamt in einem unversperrten Kellerabteil 18 Kilogramm „Unkraut-Ex“ gefunden. Sie stuft das Unkrautvernichtungsmittel als „Sprengstoff“ ein und ordnet es K. zu.

Gegen ihn wird schon seit Anfang Juni wegen Paragraph 129a, Unterstützung und Werbung für eine terroristische Vereinigung, ermittelt.

K. hatte damals vor der Justizvollzugsanstalt in Nürnberg Flugblätter mit der Forderung nach „Zusammenlegung der Gefangenen aus RAF und Widerstand“ verteilt.

Schon Mitte April hatte das Oberste Bayerische Landesgericht im Zusammenhang mit der Zusammenlegungsforderung die Durchsuchung von Wohnungen und Arbeitsstätten fünf „verdächtiger Personen“ im Großraum Nürnberg angeordnet. Die Durchsuchung bei K. geht ebenfalls auf diese Anordnung zurück.

In einem unversperrten Kellerabteil fanden LKA-Beamte das Unkrautvernichtungsmittel, alte entstempelte Kfz-Kennzeichen und einen selbstgebastelten „Prägestempel“ der Stadt Nürnberg.

Der Nachrichteningenieur bestritt, etwas mit den Gegenständen zu tun zu haben. Ein Haftbefehl erging nicht.

Das hinderte das Landeskriminalamt nicht, aus dem Fall eine große Terrorgeschichte zu machen. „Attentat geplant?“, „Chemie für Anschlag gefunden“ und „RAF-Anhänger lagerte Sprengmaterial“ titelten die örtliche Medien und orientierten sich dabei am Polizeibericht.

Ein LKA-Beamter verkündete, daß Chemikalien zur Herstellung von „mindestens vierzig Kilogramm“ Sprengstoff gefunden worden seien und verglich die Größenordnung mit dem Anschlag auf den Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts am 7. Juli 1986. Stand auf dem Sicherstellungsverzeichnis noch „Tüte mit Glühanzünder“ und „Schnur“, wurde in den Presseberichten daraus „ein Meter Zündschnur“ und „20 Gasglühanzünder“. Aufgrund eines 13 Jahre zurückliegenden Ermittlungsverfahren wegen 129a, zählt der Durchsuchte für das LKA seit 1978 zur RAF-Unterstützer-Szene im Großraum Nürnberg. Sein Rechtsanwalt Ingo Schmitt- Reinholtz wertet die seit dem Rohwedder-Attentat erfolgten Polizeiaktionen als Versuche der bayerischen Strafverfolgungsbehörden, den Tatbestand des „Werbens für eine terroristische Vereinigung“ auf die Zusammenlegungsforderung inflationär anzuwenden.

Dem stehe aber eine seit Mitte der 80er Jahre geltende restriktive Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs entgegen. Der Anwalt sprach deshalb von einer „einer klaren Einschüchterungsstrategie“. bs