Vom Kombinat zur Qualifizierungsfirma

■ Ex-Komponentenhersteller hat sich einen Platz auf dem Umschulungsmarkt erobert

Das Gebäude an der Allee der Kosmonauten 32 hebt sich kaum von den eintönigen Wohnsilos im Ostberliner Neubauviertel Marzahn ab. Der angegraute Plattenbau beherbergt die Kraftwerks- und Anlagenbau AG, die als Teil eines gleichnamigen DDR-Kombinats einst Komponenten für Braunkohle- und Atomkraftwerke erstellte und nun als selbständiger Betrieb weiterarbeitet. Im dritten Stock befinden sich die Verwaltungsräume der „Qualifizierungsgesellschaft Energie- und Umwelttechnik mbH“ (QE&U), die sich seit ihrer Gründung am 30. August 1990 zu einem führenden Anbieter für Fortbildung und Umschulung entwickelt hat. Sie wurde gegründet, als in drei ehemaligen Kombinatsbetrieben für rund zehntausend Beschäftigte im vergangenen Jahr Massenentlassungen anstanden. Uwe Graband, damals Betriebsratsvorsitzender, war einer von denen, die mit Hilfe der Industriegewerkschaft Metall die Initiative ergriffen und die Qualifizierungsgesellschaft gründeten. Gesellschafter wurden die drei betroffenen Betriebe — zwei davon übrigens auch heute noch im Besitz der Treuhand. Heute ist Graband einer der zeichnungsberechtigten Prokuristen der Weiterbildungsfirma.

Die QE&U hatte zunächst das Ziel, rund tausend Entlassenen Umschulungs- und Qualifizierungskurse anzubieten. In mehrmonatigen Unterrichtseinheiten werden heute Facharbeiter, Ingenieure und Verwaltungskräfte qualifiziert. Von der Schulung an CNC-gesteuerten Werkzeugmaschinen bis zur rationellen Energieanwendung und Weiterbildung als Vertriebsingenieur und Datenverarbeitungskaufmann sind attraktive Berufsfelder vertreten. Bei den abgeschlossenen Kursen liegt die Vermittlungsquote bei rund 50 Prozent. Derzeit beschäftigt die Gesellschaft außerdem rund dreißig Leute in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, meistens hochqualifizierte Techniker, die „zu ihrer Qualifikation“ arbeiten sollen. Zusammengefaßt in Gruppen sollen sie neue Produkte und Verfahren im Umweltbereich entwickeln, die ihnen nach Auslaufen der Fördermaßnahme den Sprung in die Selbständigkeit ermöglichen sollen.

Die Qualifizierungsgesellschaft hat sich inzwischen ihren Platz im Ostberliner Umschulungs- und Fortbildungsmarkt erobert. Für eine jetzt gegründete Tochtergesellschaft muß das noch geschehen. Sie ist eine typische Beschäftigungsgesellschaft. Notwendig wurde sie durch den nächsten Entlassungsschub zum 30.6. mit rund 2.400 Gekündigten in den drei Teilhaberbetrieben. Die Arbeitsförderungsgesellschaft hat den Gekündigten angeboten, sie auf Basis der bis zum 31.12. geltenden Kurzarbeiterregelung zu übernehmen. In diesem halben Jahr müssen sinnvolle Betätigungsfelder aufgebaut werden, um sie als ABM-Kräfte weiterbeschäftigen zu können. Auch hier stehen die Chancen nicht schlecht. Denn viele potentielle Auftraggeber in den neuen Ländern, insbesondere die Wohnungsbaugesellschaften, seien zur Vergabe von kommerziellen Aufträgen finanziell noch nicht in der Lage. Hier kann die von den Lohnkosten entlastete Arbeitsförderungsgesellschaft einspringen. Martin Kempe