Postmoderne Pappkameraden

■ Thomas Nennstiels „Mocca für den Tiger“, Di., 23.10 Uhr, ZDF

Thomas Nennstiel hat einen neuen Typus entdeckt: die postsozialistische Neurotikerin. Zwei davon wohnen in der Pension X zusammen mit einer verquasten Schneckenforscherin, einem leptosomen Magerquarkmodell, einer aus Dauerliebesfrust trinkenden Concièrge sowie der neureichen verwöhnten Göre Laura. Bei so vielen Frauen kann der Gesprächsstoff ja nicht ausgehen. Alle saufen (sympathisch) und reden ständig über Wein und damit zwangsläufig über „den Neumann“ von der kleinen Weinhandlung gegenüber.

Dieser Neumann läuft mit guten Anzügen herum, zelebriert den asketisch-melancholischen Weinkenner, der sein antiseptisches Einsiedlerdasein mit modischem Lebensüberdruß begründet. Aussehen tut er wie eine dieser Werbevisagen im Schaufenster des Billigfriseurs gegenüber. Und das ist auch der Grund, warum Laura sofort auf den selbstgestrickten Eigenbrödler abfährt. Im Grunde ihrer uninteressanten Herzen passen sie zusammen. Beide gehören zum typischen Klientel des 'Tempo‘-Lesers und sind angefüllt mit Ikea-Psychologie.

Sicher, da wird keine normale Liebesgeschichte verbraten. Soviel ist klar. Aber selbst die unübersehbare Andeutung, daß die beiden sich in ihrer weiteren Beziehung nur anonym angiften werden (wie der eine Typ, der seine Frau mit der Atomklebernummer aus der Bar zerrt), geht einem am Arsch vorbei. Ganz einfach deswegen, weil die Charaktere ungefähr so aufgebaut sind wie in einem 'Cosmopolitan‘-Artikel der soundsovielte neue Männertyp mit allen seinen Eigenschaften beschrieben wird.

Nennstiels postmoderne Yuppie- Komödie lebt davon, daß eine Schar zusammengewürfelter Charaktere sich gegenseitig die Stichworte für Running-Gags liefern. Das Ganze krankt daran, daß diese uninspiriert abgefilmte Lifestyle-Klamotte mehr Faszination für die Welt der postmodernen Pappkameraden aufbringt, als daß der Humor Distanz schaffen würde. Eine mit melancholischen Stromlinien designte Frauenversion von Doris Dörries Männer. Manfred Riepe