Erstes Duell Töpfer gegen Fischer?

■ Bonner Reaktorsicherheitskommission beschäftigt sich mit Siemens-Beschwerden gegen die Stillegung/ Fischer will Öko-Institut als Gutachter einsetzen/ BBU verlangt kritische Sachgutachter

Berlin (taz) — Der Streit um die stillgelegte Plutoniumverarbeitung im Siemens-Brennelementewerk Hanau droht zu einem neuen atomrechtlichen Scharmützel zwischen Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und seinem hessischen Widersacher Joschka Fischer (Grüne) zu eskalieren. Nachdem der Siemens-Konzern das Öko-Institut als Gutachter für eine „Schwachstellenanalyse“ brüsk abgelehnt hatte, steht die künftige Rolle atomkritischer Wissenschaftler im Streit um die Atomenergie auf der Tagesordnung. Fischer hatte die sogenannte Mischoxyd-Brennelementefertigung in dem Siemenswerk nach zwei ähnlich gelagerten Störfällen am 18. April und 17. Juni vorläufig ausgeknipst. Dabei waren jeweils Mitarbeiter mit Plutonium kontaminiert worden. Siemens will die Wiederinbetriebnahme vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel einklagen.

„Streng nach Recht und Gesetz“, aber „hart in der Sache“ werde man den Streit austragen, meinte gestern Fischers Sprecher Dick. Die Gründe für die Siemens-Klage entbehrten jeder Grundlage. Die bisherige Untersuchung der Störfälle durch den Betreiber und den TÜV Bayern reiche für das Wiederanfahren der Anlage nicht aus. Gerade die wiederholte Kontamination von Mitarbeitern lege nahe, daß die Mißstände ohne eine „Schwachstellenanalyse, die den gesamten Produktionsvorgang auf den Stand von Wissenschaft und Technik untersuchen“ soll, nicht behoben werden könnten.

Fischer selbst verteidigte auch den Auftrag an das Öko-Institut. Wer eine Atomanlage begutachte, entscheide laut Atomgesetz die Genehmigungsbehörde, nicht der Betreiber. Zuverlässigkeit, Sachkundigkeit und rechtliche Eignung des Öko- Instituts seien „pflichtgemäß überprüft“ worden und stünden „außer Zweifel“. Er stelle sich die Frage, was die Siemens-AG vor den Gutachtern „eigentlich zu verbergen hat“. Der Konzern habe aus den Urteilen im Nukem-Transnuklear-Prozeß offenbar nicht gelernt. Fischer erinnerte hier auch an ähnliche Bemühungen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Atomindustrie versuche offenbar, in einer konzertierten Aktion, kritischen Sachverstand „unter allen Umständen von ihren Anlagen fernzuhalten“.

Bundesumweltminister Töpfer hat die Siemens-Beschwerden mittlerweile an die Reaktorsicherheitskommission (RSK) weitergeleitet. Das Beratungsgremium wird sich am kommenden Mittwoch mit dem Streit beschäftigen. Vom Ergebnis dieser Sitzung hängt es ab, ob Töpfer einmal mehr gegen die atomrechtlichen Entscheidungen einer Landesbehörde vorgehen wird. Der Bund Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hat in einem Schreiben an Töpfer den Befangenheitsvorwurf des Siemens-Konzerns gegen das Öko-Institut umgedreht. BBU-Vorstandsmitglied Eduard Bernhard erinnerte daran, daß in den Führungsgremien des Hanauer Seriengutachters TÜV Bayern „mehrere maßgebliche Vertreter der Atomindustrie“ sitzen. Tatsächlich nehmen im Verwaltungsrat des TÜV regelmäßig Führungspersönlichkeiten von Siemens, Siemens/KWU und des Bayernwerks Platz. Ganz ähnlich sieht es in Töpfers Beratungsgremien RSK und Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) aus, in denen kein einziger Atomkritiker jemals Sitz und Stimme hatte. Das muß anders werden, meint der BBU und fordert von Töpfer umgehend „eine Umstrukturierung der Gremien im Sinne der notwendigen Ausgeglichenheit“. Gerd Rosenkranz