Charmeur der »Agentur Herz«

■ Schauspieler Mathias Noack ist der Held der Vorabendserie »Agentur Herz« beim DFF/ Der Liebling aller Frauen kam vor zwei Jahren nach West-Berlin

Berlin. »Ich weiß eigentlich nicht, was ich dir erzählen soll.« Pünktlich auf die Minute stürmt Mathias Noack in die Wohnung, bugsiert mit Hilfe einer Zeitung einen verwirrten Käfer aus dem Fenster, entscheidet sich für Tee, nimmt in der Küche Platz und streicht sich die Haare aus dem Gesicht — alles innerhalb kürzester Zeit. »Wir drehen im Moment fast jeden Tag, aber am Sonntag um halb acht aufzustehen, ist wirklich eine Zumutung. Dabei wurde ich bei der Szene, die wir gedreht haben, ohnehin gedoubelt. Ich fahre also mit dem Fahrrad die Straße entlang, lese dabei ein Buch, lande auf der Nase und erblicke ein rotgelocktes Mädchen, in das ich mich auf der Stelle verknalle — die große Liebe für die nächsten Folgen.«

Die 26teilige Vorabendserie »Agentur Herz« wird derzeit vom DFF produziert, und die Rolle des jungen, arbeitslosen Schauspielers, der einen Kostümverleih geerbt hat, scheint Mathias Noack auf den Leib geschrieben. Teenager werden für ihn schwärmen, weil er so hübsche braune Augen hat, Mütter, weil er so liebenswert chaotisch ist und Großmütter, weil er auch schon mal den entflogenen Kanarienvogel einfängt — alles Dinge, die man sich auch wirklich von dem realen Mathias vorstellen könnte.

Mit seinem Part ist der künftige Soap-Opera-Star leidlich zufrieden: »Ein bißchen albern kommt man sich manchmal schon vor, aber als Schauspieler bis du immer davon abhängig, daß man dir eine Rolle anbietet. Das ist es eigentlich, was mich an dem Beruf stört. Natürlich würde ich auch lieber an der Schaubühne oder bei Wim Wenders spielen. Auf der anderen Seite bin ich froh, daß ich einen guten Job habe.«

Angeboten hatte ihm die Rolle der Schauspieler und Regisseur Ulrich Thein, der in dem DEFA-Film »Mit Leib und Seele« seinen Vater spielt. Der Film, eine Vater-Sohn-Geschichte, in der Mathias einen jungen Arbeiter spielt, machte den damals 23jährigen Schauspieler in der DDR schlagartig populär.

»Ich bekam damals richtig Fanpost«, erinenrt sich Mathias Noack heute. »Aber eigentlich habe ich gar keine Lust, über den Osten zu reden. Es ist langweilig. Ich wurde weder politisch verfolgt, noch in meiner künstlerischen Freiheit eingeschränkt. Schließlich bin ich nicht nur Schauspieler geworden, weil ich dachte, daß ich ein großer Künstler bin, sondern auch, weil ich wußte, daß ich in diesem Beruf einen gewissen Freiraum habe. Ich könnte jetzt sagen, ich hätte darunter gelitten, ein FDJ-Blauhemd anzuziehen, aber man kann immer irgendjemand die Schuld an irgendwas geben. Tatsache ist, ich hatte einfach das Gefühl, meine Zeit zu verplempern.«

Nach der Ausbildung in Leipzig und Dresden bekommt Mathias Noack ein Engagement am Schweriner Theater, wo er neben klassischen Repertoire-Stücken auch eine Rolle in dem russischen Stück »Selbstmörder« übernimmt. Die Inszenierung wird zum Theater-Treffen eingeladen, und Mathias bleibt in West-Berlin: »Ich hatte vorher meine Freunde und meine Mutter informiert. Für die Auseinandersetzung mit meinem Vater fehlte mir die Kraft. Ich habe ihm später einen Brief geschrieben, denn er hätte meine Entscheidung damals nicht verstanden. Er gehört zu den Leuten, die sich mit diesem Staat, den es nicht mehr gibt, identifiziert haben. Es war ihre Jugend, und heute fragt auch keiner mehr nach ihnen. Man hat ihnen ihre Vergangenheit gestohlen.«

Die Umstellung auf die neuen Gegebenheiten fällt Mathias Noack zunächst nicht leicht, und der Reiz des Neuen weicht der Gewohnheit: »Wenn du das erste Mal italienisch essen gehst, kann es sehr aufregend sein, aber beim dritten Mal weißt du einfach, wie es schmeckt. Es kann sehr ernüchternd sein, wenn Träume plötzlich real werden und Dinge, die du vorher verdrängt hast, bekommen schon ein anderes Gewicht. Es ist schon ein komisches Gefühl, die Mauer plötzlich von der anderen Seite zu sehen.«

Mathias Noack findet rasch Freunde, bei denen er wohnen kann, arbeitet für den Hörfunk und gastiert in Heidelberg als Graf Kosinsky in »Die Räuber«. Noch bis September dreht er »Agentur Herz«, doch eigentlich zieht es ihn schon wieder weiter: »Ich bin jetzt zwei Jahre hier und frage mich schon wieder, ob das alles ist. Das ist glaube ich ein Grundproblem von mir. Ich laufe immer weg, weil ich etwas Neues sehen will. Ich war gerade für zwei Wochen in New York und ich war absolut begeistert. New York verkörpert alles, was ich früher vom Westen erwartet habe. Es ist brutal, bunt, teuer und ungeheuer stimulierend. Ich würde gern eine Zeitlang dort leben. Wer weiß? Vielleicht sitze ich in zwei Jahren in New York und habe dann wieder das Gefühl, meine Zeit zu verplempern.« Martin Schacht