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Jagd mit Büchse, Schlinge und Vogelleim

Zahlreiche von der EG verbotene Fangmethoden werden in Spanien noch praktiziert/ Millionen Zugvögel werden jedes Jahr erschossen oder gefangengenommen/ Wenn sie nicht in der Pfanne landen, werden sie exportiert  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Den ganzen Sommer über liegen die Berge von Toledo verlassen unter der glühenden Sonne. Doch ab Mitte Oktober, wenn die Jagdsaison beginnt, kommt Leben in die verdorrten Hügel. Ganze Karawanen aus Jeeps und Autos, voller bellender Hunde, suchen an den Wochenenden die einsam gelegenen Gehöfte auf. Wie schon zu Francos Zeiten ist auch heute die Jagd der Wintersport der High Society. Bankiers und Politiker, Prominente und Neureiche sind die Eigentümer der kargen Landschaft in der Mancha südlich von Madrid, und nicht wenige seltsame Geschäfte sind bei dieser Beschäftigung ausgemauschelt worden.

Die Berge von Toledo sind wegen ihrer Nähe zur Hauptstadt zwar das Marbella des Winters, jedoch beileibe nicht das einzige Jagdgebiet Spaniens. Siebzig Prozent der Oberfläche des iberischen Spaniens sind private Jagdreviere, die nicht nur von Spaniern, sondern auch von vermögenden Jägern aus dem Ausland, vor allem aus Frankreich und Portugal, angepachtet werden. 30 Millionen Wildschweine und Hirsche, Hasen und Rebhühner fallen nach Schätzungen der spanischen Umweltschutzgruppe Coda jedes Jahr den Flinten zum Opfer. 20 Milliarden Peseten, circa 350 Millionen Mark, werden durch die Jagd jährlich eingenommen.

Wie in den angrenzenden europäischen Ländern führen auch hier die Umweltschützer einen zähen Kampf um die Einhaltung der europäischen und spanischen Jagdgesetze, die hier auch hier immer wieder am wirtschaftlichen Interesse der Gemeinde und dem Lobbygeist der Jäger scheitern. So bekämpfen sie die zunehmende Einzäunung der einzelnen Jagdreviere durch die Pächter, die ihr Wild zusammenhalten wollen, denn durch diese Isolierung müssen sich die Herden endogam paaren. Sie beklagen die Bleivergiftung von Wasservögeln durch umherliegende Schrotkugeln und die verhängnisvolle Vorliebe der Jäger, just die Hirsche mit den größten Geweihen zu töten, wodurch die stärksten Tiere der Herden vorzeitig von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden. Von den harten Auseinandersetzungen zwischen Ökos und Jägern wie in Italien ist man hier jedoch weit entfernt. Zum einen, weil sich hier auf wesentlich größerem Raum erheblich weniger Jäger tummeln, zum anderen, weil die Umweltschützer eingestehen, daß durch die Einnahmen, die durch die Jagd entstehen, viele Gebiete in ihrer Ursprünglichkeit erhalten bleiben.

Ein weitaus heikleres Thema ist hingegen die Vogeljagd. Mehrere Milliarden Zugvögel durchqueren jeden Herbst die iberische Halbinsel auf ihrem Weg nach Afrika, weitere 300 Millionen bleiben in Südspanien zum Überwintern. Sie bilden die Mehrzahl unter den mehreren Millionen Vögeln, die jährlich in Spanien erschossen werden. Doch nicht nur um tote Vögel wird die Schar der Zugvögel ständig dezimiert. Etwa 60 Millionen Vögel werden nach Ansicht der Coda jährlich lebend gefangen. Dazu dienen Lockvögel, die in Käfigen sitzen und singen, Netze, Fallen, Vogelleim und jede Art von Schlingen, die etwa auf dem Madrider Flohmarkt zu erstehen sind. Die meisten dieser Methoden, wie auch die Benutzung von Netzen für den Vogelfang, sind durch die Berner Konvention verboten, die Spanien unterschrieben hat. Dennoch gestatten mehrere Landesregierungen jedes Jahr diese Massenfangarten aufs Neue.

Die Voglerei ist in Spanien ein althergebrachtes Gewerbe. Doch während die gefangenen Vögel früher die Küche mit notwendigen Proteinen versorgen mußten, die anderweitig nicht zu bezahlen waren, haben sie heute diese elementare Funktion verloren. Zwar wandern vor allem in Andalusien noch immer eine Reihe der gefangenen Vögel in die Pfanne, um von dort als der beliebte „pajarito frito“, gebratener Vogel, wieder aufzutauchen, doch die meisten Vögel dienen anderen Zwecken. Zum Teil werden sie an Jäger verkauft, die sie als Lockvögel einsetzen. Andere sitzen im Madrider Flohmarkt in Käfigen, die dann ein Liebhaber mitnimmt und auf seinen Balkon hängt. Singvögel sind eine alte Madrider Leidenschaft.

Zum großen Teil jedoch werden sie illegal nach Westeuropa exportiert — entweder tot als Grundmasse für Pates oder lebendig als Singvögel. Die 250.000 spanischen Vogler, die für so ein Federtier etwa eine Mark einnehmen, sind somit nur die unterste Stufe eines internationalen Verteilungsnetzes. Gefangen werden, häufig mit offizieller Genehmigung, Stieglitze, Grünfinken, Birkenzeisige, und Grauammern. Darüber hinaus gehen eine Reihe von Vögeln, wie Rotkehlchen, Bachstelzen, Grasmücken und Rotschwänze, in die Netze. Der Fang dieser Arten ist generell verboten. Während die Landes- und Bezirksregierungen den Interessen der Jäger und Fänger nur allzu häufig nachgeben, setzt das Umweltsekretariat (ein Umweltministerium gibt es nicht) auf Erziehung, um dem „Massaker am Mittelmeer“ ein Ende zu bereiten. Rigorose Kontrollmaßnahmen, um wenigstens eine Befolgung der geltenden Vogelschutzgesetze zu erwirken, bleiben freilich bislang aus.

Weniger bekannt als der Fang von Zugvögeln, der auch die Nordeuropäer direkt angeht, ist die Jagd mit Fallen und Schlingen auf andere, auch in Spanien seltene Tiere. Wölfe, Luchse und manchmal selbst Bären, die in Fallen aus Draht geraten, nehmen häufig ein qualvolles Ende. Jedes Jahr sterben auf diese Weise etwa 80 Wölfe, eine Reihe der vom Aussterben bedrohten iberischen Luchse, und selbst drei der insgesamt 90 Bären der iberischen Halbinsel sind in den vergangenen Jahren in tödlichen Fallen verendet. Die Fallen sind in der Regel Selbstverteidigungsversuche der Bauern, deren Schafe und Pferde von den Raubtieren überfallen werden, ohne daß sie hinterher dafür entschädigt würden. Doch gelegentlich sind es auch die „Sportler“, die Jäger, die sich die seltene Trophäe nicht entgehen lassen wollen.

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