Süchtig nach Sexfahrten

Internationale Kampagne gegen wachsende Kinderprostitution und Sextourismus in Asien  ■ Von Ulrike Helwerth

Berlin (taz) — Über 100 Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren fand die thailändische Polizei bei einer Razzia in einem Bangkoker Bordell. Diejenigen, die freiwillig aus der Prostitution aussteigen wollten, wurden medizinisch untersucht. Das Ergebnis war erschreckend: 19 waren HIV-positiv. Von den Mädchen stammten 15 aus Birma; kurze Zeit später flohen vier junge Chinesinnen aus einem anderen Bangkoker Bordell. Freunde oder Reisebegleiter hatten sie unter einem Vorwand zunächst aus der Provinz Yunnan über die Grenze gelockt und dann gewaltsam nach Thailand gebracht. Denn dort werden die einheimischen Kinderprostituierten inzwischen knapp.

Schuld daran ist der boomende Tourismus. Von Weltbank und Internationalem Währungsfonds gefördert, ist er inzwischen Thailands größte Einnahmequelle. Etwa 60 Prozent der deutschen Thailand-Urlauber, so wird geschätzt, sind Sextouristen. Pro Jahr über 100.000. Und immer mehr Männer verlangt es nach junger und ganz junger Ware. Während die Regierung von 30.000 Prostituierten unter 16 Jahren spricht, geht die thailändische Stiftung „Zentrum zum Schutz der Kinderrechte“ von rund 800.000 aus.

Aber nicht nur in Thailand, auch auf den Philippinen, in Sri Lanka und Taiwan werden immer mehr Mädchen und Jungen Opfer des perversen Geschäftes. Alarmiert durch das dramatische Anwachsen der Kinderprostitution in Südostasien, rief die „Ökumenische Koalition für Dritte- Welt-Tourismus“ (Bangkok) vergangenes Jahr eine internationale Kampagne „End Child Prostitution in Asian Tourism“ (ECPAT) aus. Dieses Jahr soll sie unter Beteiligung der UNICEF von asiatischen, europäischen, nordamerikanischen Kirchen, Frauen- und Kinderschutzorganisationen gestartet werden. Ziel ist es, die Öffentlichkeit über die weltweiten Ursachen der Kinderprostitution aufzuklären, die Täter und ihre Gründe zu benennen und darauf zu drängen, daß sie nicht weiterhin völlig ungeschoren davonkommen, erklärte Susanne Lipka, Sprecherin der deutschen Kampagne, am Mittwoch auf einer Veranstaltung in Berlin. Einige ihrer Forderungen: Durch internationale Zusammenarbeit der Behörden sollen Kunden und Bordellbesitzer betraft werden können; Reiseunternehmen, die mit Sextourismus werben, sollen boykottiert werden.

Susanne Lipka kennt sich im Milieu des Sextourismus in Südostasien aus. „Es sind Männer aller Altersstufen und sozialer Schichten“, beschreibt sie die Täter, die „hier eine Frau, dort ein kleines Mädchen oder auch einen kleinen Jungen“ kauften, um einmal „was Neues auszuprobieren“. Die meisten Kunden verhielten sich völlig verantwortungslos, blendeten jedes Risiko, etwa die Gefahr einer Aids-Infizierung, aus. „Das ist wie eine Art Suchtverhalten.“

Selbst wenn ein Kinderschänder von der thailändischen Polizei einmal gestellt werden sollte, ist er vor Strafe so gut wie sicher. Denn Aussagen vor der thailändischen Polizei werden von deutschen Gerichten nicht akzeptiert. Die ZeugInnen aber nach Deutschland zu bringen, ist höchst aufwendig und gilt bisher als fast unmöglich. Hier müßten dringend binationale Rechtsabkommen geschlossen werden, fordert Susanne Lipka.

In Deutschland werden Kinderpornos verkauft, die in Thailand produziert werden. Es kursieren aber auch Videos mit thailändischen Kindern, aufgenommen in deutschen Wohnzimmern. Wer diese Kinder sind und wie sie hierherkommen, darüber gibt es noch keine Recherchen. „Wir stehen hier erst am Anfang“, so die Sprecherin der deutschen Kampagne. Eindringlich verweist Susanne Lipka auch auf den Zusammenhang zwischen dem wachsenden sexuellen Mißbrauch von Kindern hier und dem steigenden Sextourismus. Mehr als einmal traf sie in Thailand und anderswo auf deutsche Kinderfreier, die ihr anvertrauten: „Die hier ist wie meine kleine Tochter“ oder „wie mein kleiner Sohn.“

Kontakt: Koordinationsstelle der Kampagne gegen Kinderprostitution, Postfach 4126, W-4500 Osnabrück, Tel. (0541) 7101-162