Rindviecher

■ Kein Kommentar zu Mitterrands Deutschlandbesuch

Rindviecher Kein Kommentar zu Mitterrands Deutschlandbesuch

Frankreichs Staatspräsident besucht für drei Tage die Bundesrepublik. Ein unter Nachbarn nicht ungewöhnlicher Vorgang. Sollte man meinen. Fähnchenheben und nette Worte, völliges Einvernehmen und im Beiprogramm was Kulturelles. Aber nein. Es ist ja ein Franzose. Und damit darf „gewest“ werden: die Zeitungen quellen über von Mutmaßungen über Wesen und aktuelles Sein des „deutsch-französischen Verhältnisses“, und aus dem bewährten Baukasten der deutschen Frankreichkorrespondenz („schwierige Nachbarschaft“, „Ungleichzeitigkeit“, „Grande Nation- Komplexe“, etc. pp) werden kunstvolle Türmchen gebaut. Was um Gottes Willen ist denn das famose „deutsch-französische Verhältnis“, von dem die Medien nicht müde werden zu reden? Da wird in den Pariser Magazinen, wie das zum Ferienende üblich ist, im Chor ein neues Thema lanciert: der „alternde Präsident“. Auf allen Titelbildern die Falten und Runzeln Mitterrands. Vor zwei Jahren waren es die islamischen Kopftücher, letztes Jahr der Groll der Schüler. Die Agenturen tickern das diesjährige Pariser Herbstthema in die bundesdeutschen Redaktionen, wo besorgt mit dem Kopf genickt wird: aha, deswegen also die späte Anerkennung der Baltenstaaten, deswegen also neulich der Fauxpas mit den polnischen Rindviechern... Prompt wird vom Korrespondenten ein Text zum alternden Präsidenten und dessen mangelnden Visionen bestellt, aber bitte mit einem Hinweis auf das „deutsch-französische Verhältnis“ im allgemeinen und besonderen. Die so entstandenen Texte wiederum werden von den in Deutschland stationierten französischen Korrespondenten höchst irritiert zur Kenntnis genommen und, wieder mit einer Prise „Wesenheiten“ des Nachbarn genießbar gemacht, in ihre Blätter geschrieben: „transrhenale Traumata“, „Furcht vor der Furcht der anderen“, „teutonischer Romantizismus“, etc pp. Und prompt ist es wieder da: das „deutsch-französische Verhältnis“, dieser selbstreferentielle Popanz, hinter dem sich letztlich nur wechselseitiger Narzißmus und Desinteresse verbirgt.

Höchste Zeit, aus diesem sterilen Spiegelstadium auszubrechen. Und für uns Journaille höchste Zeit, sich zu den Provinzkrämern, den Kooperativen und Bauern der Auvergne aufzumachen, statt polnische Rindviecher mit den Runzeln Mitterrands auf einen Nenner zu bringen; höchste Zeit, die Feder einmal sinken zu lassen, statt diffuse Wesenheiten damit hervorzukitzeln. Alexander Smoltczyk, Paris