Primadonnen

■ Eine Million für Daniel Barenboim als Chefdirigent der Berliner Staatsoper

Primadonnen Eine Million für Daniel Barenboim als Chefdirigent der Berliner Staatsoper

Eine Summe von 1,5 Millionen Mark werde der neue künstlerische Leiter der Staatsoper „nicht im entferntesten“ bekommen, hatte der Berliner Kultursenat noch im Juni beteuert. Und Kultursenator Ulrich Roloff-Momin verkündete höchstselbst, Daniel Barenboim werde mindestens sechzig Vorstellungen jährlich dirigieren und umfangreich zur Verfügung stehen. Nun ist alles doch ganz anders. Der Vertrag mit dem neuen Chefdirigenten der Staatsoper verpflichtet ihn zu lediglich dreißig Dirigaten im Jahr, bei viermonatiger Anwesenheit und einem Grundgehalt von 250.000 Mark zuzüglich 24.000 Mark pro Dirigat. Ein schlechtes Verhandlungsergebnis. Nicht weil die Million für Barenboim den ohnehin strapazierten Kulturhaushalt mit nur einem Posten erheblich belastet. Daß in Sachen Kultur geklotzt und nicht gekleckert werden muß, daß Qualität Geld kostet, daß Stadtteilarbeit und kulturell Spektakuläres nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, hat Roloff-Momin anders als seine Vorgängerin Anke Martiny zum Glück begriffen.

Die Spitzengage für Barenboim, ein Novum im bundesdeutschen Kulturbetrieb, bestätigt jedoch eine Tendenz, die sich im internationalen Musikbetrieb längst durchgesetzt hat: den Trend zu Glamour, Starrummel und Operntourismus. Weg vom Ensemble- und Semi-Stagione-Betrieb hin zum Ensuite-Spiel: wenige Inszenierungen in gedrängter Abfolge und mit auswärtigen Primadonnen. Kultur als Kommerz. Die jüngste Entscheidung des Senats zementiert so die in Berlin seit der Karajan- Ära ohnehin traditionelle Unterwerfung unter die Gesetze des internationalen Dirigenten-Verschiebebahnhofs. Nach dem Gerangel um die Karajan- Nachfolge ist damit ein weiteres Mal die Chance vertan, Alternativen zu diskutieren.

Wieder einmal hat sich der Senat grundsätzliche Überlegungen erspart, ob ein Opern- oder Konzerthaus am Ende des 20. Jahrhunderts wie seit über 300 Jahren immer noch nach dem Starprinzip geführt werden muß. Daß sich viel Geld für Qualität auch anders ausgeben läßt, beweist etwa das Brüsseler „ThéÛtre de la Monnaie“, das mit künstlerischer Mittelklasse längst Oper der Spitzenklasse präsentiert. Gründlichere Probenarbeit, eine Mehrzahl von spezialisierten Dirigenten anstelle bloß eines Maestro, kurz: die Oper als Werkstatt — all diese in der Fachwelt längst diskutierten Modelle sind wieder einmal ausgeschlagen worden. Zudem impliziert der Vertrag mit Barenboim als Konzept für die drei Berliner Opernhäuser lediglich deren Durchnumerierung: die Staatsoper als Nummer eins fürs Renommee, die Deutsche Oper wird, zu Unrecht, auf den zweiten Rang zurückverwiesen, und Harry Kupfers Komische Oper muß für den Rest (Operette etc.) herhalten. Ein kampfeslustiger Wettstreit zwischen den drei Häusern hätte der zukünftigen Hauptstadt besser angestanden. Christiane Peitz