Sturm im Wasserglas?

■ Die Inspektion irakischer Anlagen muß notfalls auch militärisch gewährleistet sein

Sturm im Wasserglas? Die Inspektion irakischer Anlagen muß notfalls auch militärisch gewährleistet sein

Der neueste Konflikt zwischen den USA und dem Irak über den unbehelligten Zugang von UNO-Inspektoren zu den mutmaßlichen Militäranlagen Saddam Husseins werde sich, so der irakische UNO-Botschafter Anbari, als „Sturm im Wasserglas“ herausstellen. Damit hat der sogenannte Diplomat Bagdads wahrscheinlich sogar recht. Saddam Hussein wird den Drohungen der Kriegskoalition nachgeben, die Bush-Administration hat erneut erfolgreich mit dem Säbel gerasselt, und die Krisenbeobachtungsindustrie — allen voran der Kabelkanal CNN — wird wieder einmal aufregende und einträgliche Tage verbuchen können. Die Kriegskoalition gegen den Irak, bestehend aus UdSSR, Großbritannien und Frankreich, unterstützt voll und ganz die sorgfältig und präzise formulierte militärische Drohung Washingtons.

In den USA tut sich ausgerechnet die Demokratische Partei mit ihrem Eintreten für die gewaltsame Erzwingung der Waffenstillstandsresolution Nr.707 hervor. Peinlich für Bush ist dabei nur, daß ihm nun von Demokraten wie Anhängern seiner eigenen Partei vorgeworfen wird, im März nicht bis nach Bagdad marschiert zu sein, um Saddam vollständig zu unterwerfen. Sollte dieser Stehauf-Diktator dem US-Präsidenten auch noch im kommenden Sommer mitten im Wahlkampf solcherart zusetzen können, wäre dies für die politischen Gegner ein gefundenes Fressen. Schon heute ist in der US-Bevölkerung die Euphorie über den Golfkriegssieg der Einsicht gewichen, daß sich an der politischen Instabilität im Nahen Osten nichts verändert hat.

Doch selbst überzeugte Kriegsgegner sollten dies nicht mit Häme konstatieren, sondern die Argumente für die jüngste Drohung mit militärischen Mitteln einer genauen Prüfung unterziehen. Denn wer auf der einen Seite für ein weltweites Non-Proliferations-Regime eintritt, kann Saddams ewige Täuschungsmanöver gegenüber den UNO-Inspektoren nicht einfach hinnehmen und von verletzter irakischer Souveränität reden. Die Zeiten, in denen man hinter den Meldungen irakischer ABC-Waffen-Fähigkeiten nur Pentagon-Propaganda vermuten konnte, sind längst vorbei. Selbst kritische Atomwaffenexperten geben mittlerweile zu, das irakische Massenvernichtungs-Potential erheblich unterschätzt zu haben.

Den Inspektoren der UNO muß also der völlig ungehinderte Zugang zu allen ihnen suspekt erscheinenden Militär- und Industrieanlagen gewährt werden. Wo dies — wie in den meisten Fällen — ohne Gefährdung der irakischen Zivilbevölkerung möglich ist, notfalls auch mit militärischer Gewalt. Und sei es auch nur, damit sich die UNO- Kontrolleure einmal in aller Ruhe die Herkunftsplaketten der technischen Anlagen ansehen können. Rolf Paasch, Washington