Bigotte Politik

■ Die Union und die Abtreibungsfrage: das Strafrecht ist billig

Bigotte Politik Die Union und die Abtreibungsfrage: das Strafrecht ist billig

In der Abtreibungsfrage ist die Union heillos zerstritten, und das ist gut so. Längst überfällig war der Schritt der DissidentInnen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn endlich auch christdemokratische PolitikerInnen für die Entscheidungsfreiheit der Frau und gegen das Strafrecht auftreten und sich dazu durchringen, dies auch Fristenregelung zu nennen, so ist das ein wichtiges Signal. Damit schwinden die Chancen für den sogenannten Kompromißentwurf der Fraktionsmehrheit, der keinerlei Verbesserung bringt. Er ignoriert den Wunsch der Mehrheit der Frauen und Männer hierzulande nach einer grundsätzlichen Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Eine Einführung der Indikationenregelung müßten vor allem die Frauen in den neuen Ländern als Demütigung und Entrechtung verstehen.

Was aber, außer ihren vier Dutzend DissidentInnen, hat die Union sonst zu bieten? Der Vorschlag der „Werner-Gruppe“, so genannt nach dem Ulmer Abgeordneten, um den sich evangelische wie katholische FundamentalistInnen scharen, spricht in seiner Unerbittlichkeit nicht nur den eigenen christlichen Grundsätzen hohn, sondern verletzt auch die Verfassung. Gilt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nur für Männer? Und was ist mit der Würde von Frauen, die auch nach einer Vergewaltigung gezwungen werden sollen, ein Kind auszutragen? Und dann — glaubt die Union tatsächlich, sich das leisten zu können? — werden gleichzeitig die versprochenen sozial- und familienpolitischen Leistungen von Theo Waigels Rotstift erwischt. Natürlich gibt es keinen Automatismus zwischen Sozialleistungen und Abtreibungen. Und in der Vorstellung, wenn man Frauen ein bißchen mehr Geld zusteckt, treiben sie auch nicht mehr ab, steckt etwas Bigottes und viel Ignoranz gegenüber den vielfältigen Beweggründen für eine Abtreibung. Diese Haltung offenbart sich vor allem in Einrichtungen wie der Stiftung „Hilfe für Mutter und Kind“, die auch jetzt mit 180 Millionen bedacht wird. Oder das gleichfalls bewilligte Familiengeld von 1.000DM. Solche Hilfen haben den Geruch von Almosen.

Die entscheidende gesellschaftspolitische Aufgabe jedoch — eine vernünftige außerhäusliche Kinderbetreuung —, die strukturell etwas zugunsten der Frauen und dem Leben mit Kindern verändern würde, geht erneut den Bach herunter. Der schon zigmal versprochene Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wird einfach auf das Jahr 1997 verschoben — und ganz der Verantwortung der Länder überlassen. Hier geht es aber nicht um ein paar Millionen, sondern um Milliarden. Es scheint, die Union will weniger aus hehren christlichen denn aus schnöden finanzpolitischen Motiven am Paragraph 218 festhalten. Das Strafrecht kostet schließlich nichts. Helga Lukoschat