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Der Thron Georgiens wackelt

Die Opposition in der Kaukasusrepublik gibt nicht nach/ Präsident Gamsachurdia zeigt Schwächeerscheinungen/ Baldiges Ende der Monarchie abzusehen/ Die Einwohner Batumis nehmen die Ereignisse in der fernen Hauptstadt cool  ■ Von Klaus-Helge Donath

Subtropische Schwüle hängt über der Stadt. Nur wenige Laternen brennen an diesem Abend. Abseits der Promeniermeile ist es stockduster. Seit dem kompromißlosen Ausstiegsgebaren aus der Union soll der große Bruder im Norden der Kaukasusrepublik die Energiezufuhr gekappt haben. So wird es jedenfalls immer wieder kolportiert, Beweise findet man nicht. Der Kurort Batumi liegt am Schwarzen Meer im äußersten Südwesten Georgiens. Früher begann hier hinter dem Botanischen Garten der Stadt das Ende der Welt: die Türkei. Heute herrscht ein reger Austausch mit dem Nachbarstaat. Die Verwaltung der Adscharischen Autonomen Republik (ASSR), deren Hauptstadt Batumi ist, hat die Ausgabe der Reisevisa in eigene Regie übernommen.

Am Sonnabend abend blieben die Restaurants geschlossen. Nur eins ließ sich über den Hintereingang erreichen. Georgiens Präsident Gamsachurdia hatte prophylaktisch alle „Nester potentiellen Widerstandes“ dichtmachen lassen, denn die Opposition in Tbilissi kündigte für den Montag eine Großdemonstration an. Der Restaurantbesitzer antwortete nur lapidar: „Sie demonstrieren in Tbilissi, Gamsachurdias Rücktritt wollen sie.“ Dann schloß er die Tür hinter sich. Es war ihm kein Wort mehr wert. Und auch die lokale jugendliche Boheme scherte sich nicht weiter drum, sie tanzte und schleckte den raren Champagner. Der Fürst, wie er sich selbst vorstellte, ein Verwandter aus dem Hause Gamsachurdias, meinte, den gäbe es nicht mehr lange. Fürsten begegnet man en masse in Georgien. Vielleicht nehmen sie deshalb die politische Entwicklung so cool. Sie werden alles überleben. Ähnlich entspannt reagierte die örtliche Miliz, auch sie hatte schon den Champagner probiert. Daß in Tbilissi ein Machtkampf entbrennt, hatte sie jedoch nicht begriffen. Konsequenterweise kümmerte sie sich auch nicht um die Einhaltung der Verfügung von oben. Selbst die Demonstration von einigen hundert Leuten gegen die Inhaftierung namhafter Oppositioneller vor dem Stadttheater ließ sie gewähren. Sie zeigte sich dort nicht einmal.

In Adscharien, dessen Bevölkerung mehrheitlich moslemischen Glaubens ist, scheint alles beim alten zu bleiben. Die Ankündigung Gamsachurdias, den beiden autonomen Republiken auf georgischem Territorium, Abchasien und Adscharien, weitere Rechte zu nehmen, brachte in Batumi keinen auf die Straße. Dabei folgt der Pantokrator Georgiens mit dem Vorgehen gegen die Minderheiten seiner Republik einen zielstrebigen Kurs. Je mehr er von der noch bis vor kurzem unsichtbaren und heillos zerstrittenen Opposition unter Druck gerät, desto offener sucht er die Minderheiten zu diskriminieren. Bisher gelang es Gamsachurdia, seine „ethnischen“ Landsleute damit hinter sich zu sammeln. Jetzt zieht die Opposition insbesondere das brutale Vorgehen gegen die ossetische Minderheit in dem ehemals autonomen Gebiet Südossetien mit in ihre Kritik ein.

Machtkämpfe werden gewöhnlich in der Hauptstadt entschieden und nicht in der Provinz. Die geschlossene Phalanx, die den Präsidenten solange vor Angriffen schützte, zeigt Einbrüche. Die Journalisten mucken auf. Am Dienstag besetzten sie das Fernsehzentrum. Denn kritische Nachrichten kamen zuletzt ausgerechnet nur noch über das sowjetische zentrale Fernsehen. Am Dienstagabend nach Gamsachurdias Aufruf an das Volk, sich nicht den „Feinden des georgischen Volkes“ auszuliefern, ging das Fernsehen auf Sendepause. Der nationale Wahn, der alle Sphären des Politischen überlagerte, verliert an Stoßkraft. Der Feind ist jetzt ein Gummitiger, den der Präsident und seine Berater immer wieder aufblasen. Doch hat sich gerade Gamsachurdia während des Putsches in Moskau opportunistisch verhalten. Eine Aufnahme, die ein Gespräch des Präsidenten mit dem ehemaligen Putschminister Pugo wiedergibt, kursiert in Tbilissi. Anhänger des Präsidenten suchen ihn zu verteidigen. Doch hat ihm das einen ungeheuren Vertrauensverlust eingebracht.

Solange zeigte sich der Duce Georgiens nicht willens, auf die Forderungen der Opposition einzugehen. Er vermied Blutvergießen, nachdem bekannt wurde, daß die erst Anfang des Jahres aufgestellte Nationalgarde nicht mehr geschlossen hinter ihm steht. Ein Drittel der 12.000 Mann soll sich der Opposition angeschlossen haben. In der laufenden Sitzung des Parlaments wird sich zeigen, ob der ehemalige Dissident die Lage in seinem Vielvölkerstaat begriffen hat. Die Opposition fordert endlich Reformen im Wirtschaftsbereich. Sie wirft der Regierung vor, einen autoritären „Staatskapitalismus“ installieren zu wollen. Vor Privatisierungen schreckte sie zurück, weil sie den Ausverkauf des Landes an die nichtgeorgische Bevölkerung befürchtete. Um das Loch im Haushalt zu stopfen, beschloß man eine drastische Preiserhöhung. Mehr hatte sie nicht anzubieten. Kurioserweise finanziert Moskau immer noch einen Großteil des repressiven von moskautreuen Kräften gesäuberten Apparates Georgiens. Der KGB und die Polizei wurden mit 300 Millionen Rubel subventioniert. Der Kommunistenfresser Gamsachurdia verschweigt das seinen Landsleuten geflissentlich.

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