Feminismus lohnt sich in Neukölln

■ Eine Bewerberin um einen Posten als Amtsrätin im öffentlichen Dienst wehrt sich erfolgreich gegen die Bevorzugung eines männlichen Mitbewerbers/ Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz/ Neuköllner Bezirksamt schreibt die Stelle neu aus

Berlin. Während der Berliner Senat auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum NRW-Gleichstellungsgesetz harrt und weiterhin das Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG) für gültig hält, gibt es auch Positives zu berichten: Endlich einmal hat eine Bewerberin im öffentlichen Dienst gegen ihre Ablehnung Widerspruch eingelegt — und das mit Erfolg.

Ende April schrieb das Bezirksamt Neukölln eine Stelle für einen Amtsrat/eine Amtsrätin aus — mit der ausdrücklichen Aufforderung an Frauen, da in Leitungspositionen unterrepräsentiert, sich zu bewerben. Frau M. tat das — und mit ihr vier Männer. Obwohl Frau M. die einzige Bewerberin war, erhielt Bewerber B. den Zuschlag. Aus sozialen Gründen, wie Frau M. später erfuhr, nicht etwa, weil Herr B. qualifizierter gewesen wäre. Den Ausschlag für die Bevorzugung von Herrn B. gab, daß er Alleinverdiener ist und seine erwerbslose Frau zu Hause das gemeinsame Kind aufzieht. Frau M. hingegen hat kein Kind, dafür aber einen mitverdienenden Ehegatten.

Frau M. ließ sich das nicht gefallen und bemühte Rechtsanwältin Alexandra Goy. Die legte bei der Senatsverwaltung für Inneres Widerspruch gegen die Entscheidung ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Berlin eine einstweilige Anordnung gegen die Ernennung von Herrn B. Ihre Begründung: Die Entscheidung des Neuköllner Bezirksamts ist ein klarer Verstoß gegen §8,II des LADG, der die bevorzugte Beförderung von Frauen — bei gleichwertiger Qualifikation — in höheren Positionen solange vorschreibt, bis ihr Anteil in diesem Bereich mindestens 50 Prozent beträgt. Die Tatsache, daß Herr. B. allein die Familie ernähre, rechtfertige den Grundsatz der »Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit« (ebenfalls §8,II LADG) mitnichten. Schließlich stehe es Frau B. jederzeit frei, eine Halb- oder Ganztagsarbeit anzunehmen; ihren Sohn könne sie im Kindergarten unterbringen. Plätze gebe es ab dem dritten Lebensjahr. Herr B. könne aber auch mit gutem Beispiel vorangehen und als moderner Ehemann und Vater Teilzeit arbeiten, um so seiner Frau die Berufstätigkeit zu ermöglichen. Darüber hinaus biete seine bisherige Besoldung Gewähr für einen »ausreichenden Lebensstandard« der gesamten Familie. Die »Hausfrauenehe« genieße keinen gesetzlichen Schutz oder Vorrang mehr vor der »Erwerbstätigen-Ehe«, so der feministische Nachhilfeunterricht der Anwältin.

Das Verwaltungsgericht Berlin sicherte bald darauf zu, daß die Beförderung von Herrn B. bis zur Gerichtsentscheidung ausgesetzt werde. Dazu kam es aber nicht. Das Neuköllner Bezirksamt fand nämlich, so Direktor Joachim Poews, ein »Anhänger der Frauenförderung«, daß die Argumente der Anwältin »was für sich« haben, und machte seine Entscheidung Anfang September rückgängig.

Die Stelle für den Amtsrat/die Amtsrätin wird nun neu ausgeschrieben. Ulrike Helwerth