WIP verhandelt wieder

■ Notbremse gezogen/ Prenzlberger Recht bricht Bundesrecht/ »Wohlgefälligkeitsklauseln« müssen aus dem Vertragsentwurf heraus

Prenzlauer Berg. Die Notbremse ist gezogen, die WIP in persona von Prokurator Wolfgang Schimmel kehrte am Freitag an den Verhandlungstisch der Arbeitsgruppe Instandbesetzung Prenzlauer Berg zurück. Bausenater Wolfgang Nagel blieb leider fern, dafür kam Bürgermeister Manfred Dennert. Schimmel wurde nicht mit Farbbeuteln beworfen, er mußte sich vielmehr mit sachlichen Verhandlungspartnern auseinandersetzen. Was aber noch lange nicht bedeutet, daß alle Dissenzen und Mißverständnisse in der Gesprächsrunde — die am 7. Oktober fortgesetzt werden soll — über den Abschluß eines annehmbaren Pachtvertrages ausgeräumt sind.

Reibungspunkt ist die Frage Pachtvertrag oder Pacht- und Mietvertrag. Die im Entwurf der WIP enthaltene Klausel: »Die Verträge zwischen WIP und Mieter müssen bei Wirksamwerden dieses Pachtvertrages einvernehmlich aufgehoben werden. Entweder man will einen Pachtvertrag, oder man will parallel dazu noch eine zusätzliche Absicherung durch Mietverträge.« — stieß auf Widerspruch. Um das Risiko einer leicht möglichen Kündigung auszuschließen, streben die Besetzer an, die bereits abgeschlossenen Einzelmietverträge beizubehalten und neue abzuschließen. Das von Schimmel mit »doppeltem Boden« qualifizierte Herangehen, Pacht und Mietverträge zu verknüpfen, macht durchaus Sinn. Im Falle der Pachtaufkündigung würde automatisch der Kündigungsschutz flötengehen. Ähnliches hat bereits anderweitig exemplarisch stattgefunden, belegte Helmut Schirmeyer, Vertreter der S.T.E.R.N., »Behutsame Stadterneuerung Berlin«. Weiterverhandelt wird über Nuancen im Verkehrsrecht, Definition der genutzten Flächen, Fristen und Vertragsdauer, Sanierungsbeginn, Kündigungsklauseln und »Häuserbegehung«.

Was in den Augen der Besetzer als »Wohlgefälligkeitsklausel« angesehen wird, ist der geforderte Verzicht auf »störende« Fassadengestaltung. Überhaupt sollte alles aus dem Pachtvertrag herausgenommen werden, was nicht in ihn hineingehört.

Ungeachtet aller Tendenzen, gutem Willen und Gesprächsbereitschaft, schwebt über den zu verhandelnden Häusern das Damoklesschwert Einigungsvertrag und die darin verankerte Rechtsinterpretation über den Besitz und den Anspruch auf noch nicht rückübereignete Häuser. Wenn Schirmeyer das in der Bundesrepublik übliche Recht auf Eigentum in der Wertigkeit mit dem Recht auf Leben gleichsetzt, was eine legitime Analogie in den Augen des »Eigentümers« ist, ist die Omnipotenz des Besitzenden de facto paraphiert. Auch die Behauptung, Justiz und Politik seien »zwei voneinander unabhängige Instanzen« (Schirmeyer), hinkt.

An allen fünf Fingern ist abzuzählen, wie die Justiz die politische Entscheidung treffen wird, es findet sich nämlich ein »rechtmäßiger Eigentümer«. Dann wird aller Wahrscheinlichkeit nach der beste Vertrag mit der WIP nichts taugen, wenn letzterer etwas anderes beabsichtigt, als irgendwelche alternativen Initiativgruppen oder Besetzer in »seinem« Haus zu dulden. Eigentlich gibt es nur eine Möglichkeit: Entschädigung der Eigentümer der entsprechenden Häuser, über deren Bestimmung jetzt verhandelt wird. Aber dazu bedarf es eines »politischen Willens«. Doch wer hat den, und wer verfügt über die dazu benötigten Instrumentarien. Ein einmaliger Fall wäre es schon: Prenzlauer Recht bricht Bundesrecht. André Beck