„Friedensabkommen? Davon weiß ich nichts“

In Südafrikas umkämpftem Slumviertel Phola Park, Heimstatt Zehntausender Landflüchtiger am Rande von Johannesburg, ist von Frieden nicht die Rede/ „Die großen Bosse können ruhig verhandeln — wir werden weiterkämpfen“  ■ Aus Tokoza Hans Brandt

Phola Park ist eine jener Slumsiedlungen, die Südafrikas Großstädte umringen: Eingeklemmt zwischen einer Durchfahrtstraße, einer Hochspannungstrasse und den Ausläufern des schwarzen Wohngebietes Tokoza leben hier mehrere zehntausend Leute aus den ländlichen Gebieten, Flüchtlinge vor Arbeitslosigkeit und Hunger in den überbevölkerten Homeland-Reservaten — zumeist aus dem Xhosa-Reservat Transkei.

Am Tag nachdem Südafrikas Spitzenpolitiker letzte Woche ein Friedensabkommen unterzeichneten, wurden hier zwei Menschen in „Unruhevorfällen“ getötet. Am vergangenen Dienstag erschoß die Polizei nach eigenen Angaben zwei schwarze Männer, als ein Panzerwagen in der Nacht in einen „Hinterhalt“ geriet. Ein Polizist wurde verletzt.

Am Donnerstag morgen ist es in Phola Park ruhig. Frauen mit Schubkarren und Einkaufswagen fahren Abfallholz von einer nahegelegenen Müllhalde zu ihren Hütten. Auf offenem Feuer werden ganze Schafsköpfe geröstet. Vor einer kleinen Fertigbau-Klinik warten Mütter mit Säuglingen. Am Haupteingang zur Siedlung kicken zwei Jugendliche einen Tennisball hin und her — die unauffälligen Wachen der Bürgerinitiative. „Was haltet ihr von dem Friedensabkommen?“ „Abkommen? Welches Abkommen?“ kommt die Gegenfrage. Sie wissen nichts.

„Ja, leider haben wir den Leuten das Abkommen noch nicht erklären können“, entschuldigt sich ein Mitglied der Bürgerinitiative später. Die Situation sei noch zu sehr gespannt. Deshalb will er auch anonym bleiben. „Bisher ist das immer noch ein Killerabkommen“, meint er. Ohne Provokation habe die Polizei zwei Leute erschossen. Zwar habe man diese Woche mit hochrangigen Polizisten verhandelt. „Aber die Polizei ist eigentlich vollkommen gegen das Friedensabkommen“, sagt er. „Sie wollen nicht, daß die Leute sich selbst organisieren, Bürgerinitiativen und Selbstverteidigungseinheiten bilden.“

Die Xhosas in Phola Park sind allesamt ANC-Anhänger. Sie haben oft gegen die Zulus im Wanderarbeiterheim von Tokoza gekämpft, Unterstützer der Zulupartei Inkatha. Aber Christopher Jalie, ein junger Zimmermann, meint, die Beziehungen zu Inkatha könnten verbessert werden. „Mit Inkatha kann man reden“, sagt er. „Unser Problem ist nicht Inkatha, sondern die Polizei. Und die Inkatha-Leute werden von der Polizei aufgewiegelt, um zu kämpfen.“ Er selbst hofft auf Frieden, so daß er sich selbständig machen kann.

Drei Kilometer weiter in Tokoza, gegenüber vom Männerheim, wird bei einem Getränkeladen Bier von einem Kleinlaster geladen. Die Eigentümerin des Geschäfts, eine wuchtige Frau in strahlend weißem Kleid, beaufsichtigt ihre Angestellten selbst. Man sieht ihr an, daß das Geschäft gut läuft. Ein benachbarter Laden ist andererseits vollkommen abgebrannt — der Standort direkt vor dem Wohnheim ist gefährlich. „Natürlich will ich Frieden. Aber zu dem Friedensabkommen will ich nichts sagen“, sagt sie, und zieht sich züruck hinter die Theke und die Gitter, die bis an die Decke reichen. „Ich bediene meine Kunden, und die kommen von beiden Seiten.“

Auf der anderen Straßenseite bewachen drei junge schwarze Polizisten das Männerheim, in dem nach monatelangen Kämpfen inzwischen nur noch Zulus leben. Sie haben sich in einem Eingang des Heimes hinter einer Stacheldrahtbarriere verschanzt, Schrotgewehre bei der Hand. „Das Friedensabkommen ist nur ein Stück Papier“, sagt einer von ihnen etwas traurig. Allerdings glaubt auch er, daß die meisten Menschen das Blutvergießen nicht wünschen. „Es gibt Leute, die die Kämpfe anstacheln“, meint er und schließt nicht aus, daß sich solche Provokateure auch in der Polizei befinden. „Die meisten Leute hier in dem Heim sind arbeitslos“, sagt er. „Für ein paar hundert Rand würden die alles tun.“

Im Heim selbst sitzen ein paar Dutzend Männer gelangweilt zwischen den Hausreihen in den dreckigen Höfen. „Friedensabkommen? Davon weiß ich nichts“, meint einer. „Sprechen Sie lieber mit unserem Vormann.“ Die Gemeinschaftszimmer im Heim, 16 Betten pro Zimmer, sind fast völlig zerstört: zerrissene Matrazen, dreckige Wasserlachen, verbogene Bettgestelle, durchlöcherte Fensterscheiben, aus den Angeln gehobene Türen, zertrampelte Koffer. Das Eckzimmer des „Induna“, des Zulu-Hauptmannes, ist das einzige in seiner Reihe, das noch bewohnt ist.

Auch hier will niemand seinen Namen nennen. Der „Induna“ kann kein Englisch. Aber drei schwere Zulu-Kämpfer, die sich um mich drängen, haben keine Zweifel: „Die großen Bosse können ruhig verhandeln. Wir Kämpfer werden weiterkämpfen. Wenn mir ein Xhosa über den Weg laufen sollte, würde ich ihn auch jetzt sofort killen.“ Auch nach wiederholtem Drängen sind diese drei unnachgiebig. „Die Polizei bevorzugt die Xhosas. Wenn die Polizei nur verschwinden würde“, sagt einer, seine Augen rot angelaufen, sein Atem sauersüß vom Alkohol. „Dann könnten die Zulus und Xhosas bis zum Ende kämpfen. Dann wäre klar, wer der Boss ist.“