Rassismus in der „Festungsstadt“

■ In Saarlouis bedrohen faschistische Skinheads Asylwohnheime/ Seit 1987 hat es fünf Brandanschläge auf Asylbewerberheime gegeben/ SPD-Bürgermeister Alfred Fuß: „Eine richtige Szene gibt es hier nicht“

Saarlouis (taz) — Als Samuel Yeboah in der Nacht zum letzten Donnerstag mit einem Freund über den Saarlouiser Marktplatz ging, fiel den beiden Männern auf, daß sich knapp zwei Dutzend Skinheads am Brunnen zusammengerottet hatten. „Irgendwann werden die mich umbringen“, sagte Yeboah zu seinem Freund. Wenige Stunden später war er tot; verbrannt, nachdem „unbekannte Täter“ das Wohnheim, in dem der 27jährige Flüchtling aus Ghana mit 20 anderen aus Westafrika und Jugoslawien untergebracht war, niedergebrannt hatten.

Die Bedrohung durch faschistischen Skinhead-Terror und spießbürgerlichen Rassismus ist für Flüchtlinge im Saarland tägliche Lebenserfahrung. „Es ist keine Seltenheit, wenn du während eines Abends in der Stadt zehnmal oder öfter angepöbelt wirst“, erzählen Flüchtlinge in Saarlouis. Schon im August hatte es einen Brandanschlag auf ein Asylwohnheim in Saarlouis gegeben. Und keine 24 Stunden nach dem tödlichen Anschlag brannte knapp zehn Kilometer entfernt wieder eine Asylbewerber-Unterkunft.

Saarlouis nach dem Anschlag: In der „Festungsstadt“, so der stolz getragene Beiname, herrscht Alltag. Zwei Skinheads schlendern über den Marktplatz und recken einem offensichtlich „Linksverdächtigen“ grinsend die Hand mit zum Victory-Zeichen ausgespreizten Fingern entgegen. Einem schwarzen Flüchtling wird in der properen Fußgängerzone unverhohlen nachgegafft. Nirgends ein Zeichen der Solidarität mit den Flüchtlingen. Am ausgebrannten Flüchtlingsheim wird neugierig vorbeispaziert. Die feindselige Stimmung ist mit Händen greifbar. „Ist doch gar nicht sicher, ob das ein Deutscher war“, nimmt ein Passant seine Landsleute in Schutz. In Saarlouis will man die eigene Fremdenfeindlichkeit nicht wahrhaben. Abwiegelei und Ignoranz sind angesagt. „Eine richtige Szene gibt es hier nicht“, meint SPD-Bürgermeister Alfred Fuß. Sicher, die vielen Asylbewerber würden „natürlich“ in der Bevölkerung nicht gern gesehen. Skinheads? Sicherlich, ein paar gebe es, aber ausländerfeindlich sei man ganz bestimmt nicht. Was Fuß nicht erzählt: Bei den letzten Kommunalwahlen erreichten die „Republikaner“ in Saarlouis mit über zehn Prozent der Stimmen ihr landesweit bestes Ergebnis, in Fraulautern, dem Stadtteil, wo das Asylwohnheim angezündet wurde, lagen sie noch darüber. Darüber spricht man in der Saarlouiser SPD nicht gern, war doch ein SPD-Mitglied über die Liste der Reps in den Stadtrat gekommen und hilft nun — offiziell fraktionslos — den Sozialdemokraten als Mehrheitsbeschaffer.

Ebensowenig berichtet der Bürgermeister über das monatelange Gezerre um ein Wohnheim für Asylbewerber in der Innenstadt. Saarlouiser BürgerInnen waren sogar gegen das Heim vor Gericht gezogen.

Kein Wort auch über die vorangegangenen Brandanschläge. Fünf Anschläge auf Flüchtlingsheime hat es im Saarland seit 1987 gegeben. Auch der Vorstandssprecher der saarländischen Grünen, Hubert Ulrich, weiß von einer rechten Szene nichts. Daß Skinheads „mal einen Penner im Park zusammengeschlagen haben“, ja, „aber das ist Ewigkeiten her“. Auch ein Verein für militärhistorische Fahrzeuge, dessen Mitglieder in Kampfkluft der Bundeswehr auftauchen und zu obskuren Militaria- Treffen oder einfach durch die Gegend fahren, sind ihm kein Indiz dafür. Genaues weiß man nicht über den Verein, das scheint bislang so recht niemanden interessiert zu haben. Daß Saarlouis in der rechtsradikalen Szene offenbar einen Ruf hat, hat der Pädagoge Joachim Selzer durch ein Dresdener Pärchen erfahren, das bei ihm auftauchte: In Dresden, erzählten sie, hätten sie zum Umfeld des aus den eigenen Reihen getöteten Obernazis Rainer Sonntag gehört und auch schon Anschläge verübt. In der Frankfurter Fascho- Szene sei ihnen dann das Saarland empfohlen worden. Da gebe es so viele Gleichgesinnte, die würden ihnen schon Arbeit verschaffen. „Wer behauptet, es gebe keine rechtsradikale Szene hier, macht einen schlechten Witz“, meint Selzer.

Im städtischen Krankenhaus treffen Besucher auf eine andere alltägliche Spielart des Rassismus: „Sie wollen zu den Negern, die sitzen da hinten in der Ecke“, bescheidet die Pförtnerin knapp und weist den Weg zu den beim Brandanschlag verletzten Heimbewohnern. Auf die Idee, ihnen gegenüber Solidarität mit einem Besuch zu bekunden, ist bislang kein Offizieller in Saarlouis gekommen. Auch die Landesregierung glänzt durch Abwesenheit. Wut über diese Zustände dokumentierten 400 DemonstrantInnen. „Wir trauern um Samuel Yeboah, ermordet von Faschisten und alltäglichem Rassismus“, stand auf einem Transparent. Thomas Krumenacker