Terror-Düfte

■ Wenn KalifornierInnen sich nicht mehr riechen können

Wer künftig nach Kalifornien reist, sollte Parfüm und Rasierwasser lieber zu Hause lassen. So will es Susan Malloy von der US- amerikanischen „Stiftung für chemisch Hypersensitive“. Sie hat den feinen Duftstoffen den Kampf angesagt. Ein betörender Hauch von Lavendel oder Tabak mag zwar viele Menschen auf angenehmste Weise berühren, doch Malloy und weitere 6.000 Mitglieder im Klub der Hypersensitiven können an den Düften nichts Erregendes finden. Für sie sind die Träger der aromatischen Stoffe sozusagen „Toxin-Terroristen“. Nur ein Hauch von Parfüm, eine Wolke von Aftershave, lösen bei Malloy und ihren Leidensgenossen Kopfschmerzen, Migräne oder schwere Anfälle aus.

Ausgerechnet im kalifornischen Regierungsbezirk Marin County, wo soziale Experimente zur Bewußtseinserweiterung stets willkommen sind, wollen die „Hypersensitiven“ jetzt die künstlichen Aromastoffe aus öffentlichen Versammlungen, Krankenhäusern, Schulen und vom Arbeitsplatz verbannen. „Ich weiß, jeder hat das Recht, seine Toilettenartikel nach eigenem Geschmack zu wählen“, meint Malloy, „doch die Luft gehört uns allen.“ Sie reagiert so extrem auf Düfte, daß sie bei öffentlichen Veranstaltungen immer einen Sauerstofftank dabei hat.

Zunächst hat sich die rührige Dame Merrit Robinson vorknöpft, der die öffentlichen Veranstaltungsräume im County verwaltet. Der ist bereit, mit der Umweltgesundheitspolizei dafür zu sorgen, daß die Räume besser gelüftet und eventuell „duft-freie“ Sitzecken eingerichtet werden. „Aber“, protestiert er, „ich werde keine Schnüffler an der Tür aufstellen“, die jenen den Eintritt verwehren, die von einem aromatischen Flor umgeben sind.

Terri White, ebenfalls im Verein der Hypersensitiven, fordert striktere Maßnahmen. An ihrer Haustür hängt ein Schild, das all diejenigen bittet, die Kontakt mit Rauch, Chemikalien von der Trockenreinigung oder anderen Düften hatten, fernzubleiben. White möchte ein ähnliches Verbotsschild am Eingang zu allen öffentlichen Einrichtungen hängen sehen. Sie gibt zu, die duftfreie Gesellschaft entsteht nicht über Nacht und setzt sich deshalb für die Umschulung der Massen ein: „Wir wollen die Menschen umdoktrinieren, — weg von der Idee, jede Frau müsse durch ihren Geruch eine bleibende Präsenz schaffen.“

Im Notfall wollen die Hypersensitiven ihr Recht mit Hilfe eines Bundesgesetzes einklagen. Bestimmungen, die vorsehen, daß öffentliche Räumlichkeiten für Behinderte zugänglich sein müssen, sollten auf chemisch hypersensitive Personen erweitert werden. Ein erbitterter Kampf droht also zwischen Anhängern von „Chanel“ und „Irish Moss“ und jenen, die Körperduft „à la natur“ fordern. Der Ausgang ist ungewiß. Doch vermutlich wird man sich in Marin County nach einem Waffenstillstand gegenseitig nicht mehr riechen können. Silvia Sanides