Steuerproteste in Südafrika

■ Demonstrationen gegen Einführung einer Mehrwertsteuer/ Mandela: Verfassungsreform gefährdet

Johannesburg (taz/ap/dpa) — Mehrere zehntausend Menschen haben am Montag in Südafrika gegen die Einführung einer Mehrwertsteuer demonstriert. Rund 5.000 Einwohner marschierten mit Transparenten durch Johannesburg. Ebenso groß war die Zahl der Demonstranten in Kapstadt. Protestkundgebungen wurden auch aus Pretoria, Durban und anderen Städten gemeldet.

Vertreter einer Koalition verschiedener Organisationen unter Führung der Gewerkschaftsföderation Cosatu und des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) hatten vergangenen Dienstag Krisengespräche mit Präsident Frederick de Klerk geführt, um die Einführung der Mehrwertssteuer zu verzögern und eine Steigerung der Lebenskosten für die ärmsten Südafrikaner zu verhindern. De Klerk ist jedoch weitgehend unnachgiebig geblieben. Ein Angebot, für sechs Monate keine Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zu erheben, lehnte die Opposition ab.

Auf den gestrigen Kundgebungen verlangte sie statt dessen, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, Medikamente, Strom und Wasser ein Jahr lang auszusetzen. In der Zwischenzeit sollen Einzelheiten des Steuerprogramms mit der Regierung neu verhandelt werden. So will die Opposition geplante Steuervorteile für Industriebetriebe revidieren.

„Eine bessere Steuer für ein besses Südafrika“ — mit diesem Werbespruch versuchte die Regierung seit Wochen, die Einführung der Mehrwertsteuer zu vermarkten. Dabei wurde hingewiesen auf die gleichmäßigere Verteilung der Steuerlast im Vergleich zum bisherigen System und auf die zu erwartenden Mehreinnahmen, die sozialpolitische Vorhaben finanzieren sollen. Oppositionsgruppen führen andererseits eine Reihe von Kritikpunkten an. Die Regierung bestreitet nicht, daß die Mehrwertsteuer kurzfristig die schon bei 16 Prozent liegende Inflationsrate in die Höhe treiben wird. Auch die zusätzliche Belastung für arme, vor allem schwarze Südafrikaner, ist unumstritten.

Doch ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa formulierte die zentrale Kritik des ANC und der Gewerkschaften wie folgt: „Die Regierung versucht eine einseitige Umstrukturierung der Volkswirtschaft in einer Zeit des politischen Übergangs“. Er warnte vor einer „wirklichen Konfrontation zwischen Regierung und Bevölkerung“.

Für die Opposition paßt die Frage der Mehrwertsteuer gut in das politische Programm. Zentrale Forderung des ANC ist zur Zeit die Einsetzung einer Interimsregierung, in der alle politischen Kräfte des Landes vertreten sind. Das soll verhindern, daß die derzeitige Regierung vollendete Tatsachen schafft, bevor eine durch die Mehrheit der Bevölkerung gewählte Regierung an die Macht kommt. ANC-Präsident Nelson Mandela warnte am Wochenende, mit ihrem Schritt gefährde die Regierung die Gespräche über eine Verfassungsreform.

Verschiedene Organisationen hatten im Vorfeld der heutigen Demonstrationen allerdings vor den Folgen einer massiven Protestwelle gewarnt. „Die Wirtschaft befindet sich schon jetzt in einem schlechten Zustand“, warnte die konservative Angestelltengewerkschaft Fedsal letzte Woche. „Ein umfassender Streik würde die Wirtschaft noch weiter schädigen.“ Und der südafrikanische Kirchenrat warnte, daß Proteste von „Elementen, die Gewalt fördern wollen“, ausgenützt werden könnten. Hans Brandt