GASTKOMMENTAR
: Bremer flotter Dreier mit Schwarz

■ Die Grünen sollten mehr sein als Mehrheitsbeschaffer der SPD

Der wichtigste Zweck der Demokratie ist Demokratie. Wenn sie nicht mehr funktioniert, kann sie weder Freiheit noch soziale Gerechtigkeit garantieren. Dieser Selbstzweckcharakter der Demokratie erfordert zuweilen den Wechsel von der Opposition in die Regierung und umgekehrt. Diese Trivialität steht nicht umsonst in jedem Gemeinschaftskundebuch. Denn das Triviale ist ja das vorausgesetzt Richtige.

Grundsätzlich sollte man mit Parteien, die sehr lange an der Macht waren, wie die SPD in Bremen oder die CDU in Baden-Württemberg, nicht koalieren, wenn das Wahlergebnis dies zuläßt. Das Wahlergebnis in Bremen ist aber keine Ohrfeige, sondern ein Kinnhaken für die SPD. Die Bremer SPD ist demokratisch am Boden, mit einem riesigen Schuldensack im Hohlkreuz. Es schwindet also sowohl der Bedarf nach sozialdemokratischer Beglückung durch die Staatsbürokratie als auch überhaupt die Möglichkeit dazu. Und was sich Wedemeier in der Asylpolitik erlaubt hat, hat sich noch nicht einmal CSU-Stoiber getraut. Wenn man sich nicht an die Verfassung hält, braucht man sie natürlich auch nicht zu ändern.

Ob eine christ-grün-liberale Koalition möglich ist, was die Inhalte verschiedener Politikfelder anbetrifft, kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Aber darauf kommt es erst mal auch gar nicht an. Klaus Jäger von der FDP hat hat einen Stein durchs Glashaus geschmissen. Die Grünen müssen diese Botschaft aufnehmen und umgehend ernsthafte und glaubwürdige Gespräche und Verhandlungen über solch eine Koalition aufnehmen, allerdings keine Scheinverhandlungen. Das wäre eher kontraproduktiv. Konsens und Dissens müßten anschließend präzise und öffentlich für die einzelnen Politikfelder dargestellt werden. Der SPD bleibt es dann unbenommen, ihrerseits in Verhandlungen mehr, anderes oder Besseres anzubieten. Das Risiko solch einer freien Verhandlungsstrategie bestünde allerdings darin, daß man andere auch auf diese Gedanken bringt und dadurch die Chancen für eine große Koalition erweitert.

Die Grünen mit ihrem elfprozentigen Wählerauftrag können nur dann eine Schlüsselrolle zur Erneuerung der außerordentlich schwierigen Verhältnisse in Bremen wahrnehmen, wenn es ihnen gelingt, aus verschiedenen Wahlmöglichkeiten heraus zu handeln. Diese Optionen müssen sie aber selbst überhaupt betreiben. Die Grünen verstehen sich als aufgeklärte Partei. Aufklärung aber heißt, sich aus selbstverschuldeter — durch Mangel an Mut — Unmündigkeit zu befreien (Kant).

Wenn sie weiterhin grundsätzlich und von vorneherein nur als Mehrheitsbeschaffer der SPD fungieren wollen, werden sie auf Dauer ein verzichtbares Anhängsel dieser Partei werden. In Koalitionen wird sie uns dann immer mehr am Nasenring herumführen. Ob das Sündenregister mit CDU und/oder FDP größer wird als etwa das der rot-grünen Koalition in Niedersachsen, müßte sich zeigen. Es wären vielleicht nur andere.

Gegen einen flotten Dreier mit Schwarz spricht, daß die große Mehrheit der WählerInnen dieser Parteien dies erst mal nicht wollten. Aber vielleicht können sie es sich bislang nur nicht vorstellen. Da gab's doch andererseits diese Plakate Nödelmeier, Wedelnödel, Nödeldödel. War doch nicht gelogen, oder? Winfried Kretschmann

Der Autor ist MdL der Grünen in Baden-Württemberg