Die großen Worte der Außerirdischen

■ Die Weltgemeinde der Raumfahrer kämpfte in Berlin für die Fortsetzung der bemannten Raumfahrt/ Marsmission als neue Vision/ Sowjetvertreter bieten Raumstation zur weltweiten Nutzung an

Berlin (taz) — Die sowjetische Raumstation Mir soll nicht verhökert, aber Astronauten anderer Staaten zur Nutzung angeboten werden. Das erklärten gestern sowjetische Kosmonauten beim siebten Weltkongreß der Raumfahrerorganisation ASE in Berlin. Die sowjetischen Raumfahrer zeigten sich optimistisch, daß die Weltrauminfrastruktur mit dem Raumfahrtzentrum Baikonur trotz des Zerfalls der Union auch künftig im Kern erhalten bleibe. „Wir laden alle Staaten ein, mit uns zu kooperieren“, sagte der Sprecher der sowjetischen Delegation Alexej Leonow. Die Zeiten der Geheimniskrämerei auf diesem Gebiet gehörten der Vergangenheit an. Es sei allerdings noch zu früh, über einen möglichen Beitritt der Sowjetunion zur europäischen Raumfahrtorganisation ESA zu entscheiden.

Auf die Frage nach einer „Konversion“ militärischer Programme in zivile, erklärte der frühere Kosmonaut Oleg Makarov, sein Land habe gar keine andere Wahl. Ein Großteil der im militärischen Bereich gebundenen intellektuellen Kapazitäten werde für die zivile und die Konsumgüterproduktion dringend gebraucht. Gegenwärtig sei es in seinem Land nicht möglich, über längere Zeiträume zu planen. In der Raumfahrt seien Gelder für zwei Missionen mit deutscher und französischer Beteiligung nächstes Jahr bewilligt. Offen sei die Entscheidung über ein eigenständiges Shuttle- Programm. Für die zweite Hälfte der 90er plant die UdSSR außerdem unbemannte Missionen zum Mars.

Der US-amerikanische Delegationsleiter John Fabian meinte, für Entscheidungen über die Umwidmung militärischer in zivile Raumfahrtprogramme in seinem Land sei es noch „viel zu früh“. Er erinnerte an die Ankündigung Bushs, nach der Plazierung der Raumstation „Freedom“ im All auf den Mond zurückzukehren und dort eine ständige Station zu errichten. Für das erste Jahrzehnt nach dem Jahr 2000 ist danach auch eine bemannte Mission zum Mars geplant. Bushs visionäre Ankündigungen stehen jedoch in eklatantem Gegensatz zu den wenigen Millionen Dollar, die der US-Kongreß bisher für diese Programme bewilligt hat. Momentan kämpfe man in den USA lediglich um Mittel für technische Vorstudien, gestand Fabian.

Der Tagungsleiter und deutsche Astronaut Reinhard Furrer forderte erneut, die ebenfalls umstrittenen europäischen Raumfahrtprojekte — die Weiterentwicklung der Trägerrakete Ariane und den Bau der Raumstation Columbus und des Raumgleiters Hermes — ohne Abstriche und eigenständig durchzuziehen. Dies sei nötig, weil nur bei einer „gesunden internationalen Konkurrenz“ die Europäer von den großen Weltraumnationen ernstgenommen würden, meinte Furrer. Wegen explodierender Kosten ist insbesondere fraglich, ob die Entwicklung des Raumgleiters Hermes wie 1987 beschlossen fortgesetzt werden soll. Eine endgültige Entscheidung wird von der Konferenz der zuständigen EG-Forschungsminister in München im nächsten Monat erwartet.

Die weltweite Finanzflaute und schwindende öffentliche Akzeptanz für ihre milliardenschweren Missionen überdeckten die Astronauten und Kosmonauten in Berlin vor allem mit einem Schwall großer Worte. Der Flug zum Mars etwa verspreche, die „Weltvölkergemeinschaft in einem friedlichen und produktiven Unternehmen zu vereinen, das der gesamten Menschheit zugute kommt“. Die Erforschung des Sonnensystems werde das Verständnis von der Erde neu inspirieren. Die Raumfahrttechnologie könne „direkt dazu beitragen, die weltweiten Umweltschäden einzugrenzen“, und werde letztlich die „Lebensbedingungen jedes Erdenbürgers verbessern“. Gerd Rosenkranz